Die Mondspielerin: Roman (German Edition)
war Rozenn jedoch voller Abwehr gewesen.
»Ein letzter Tanz. Der letzte in unserem Leben. Ich liebe dich, Rozenn. Doch ich lasse dich ziehen. Lass das mein kenavo sein.«
Erst da war sie in seine Arme gekommen. Es war Rozenns Lieblingslied, das Paul bei den Musikern bestellt hatte, für ein bisschen Geld, ganz diskret, damit sie es gleich spielten.
Rozenn war wie eine Katze, egoistisch und voller Hingabe und doch wölfisch, roh in ihrer ungekünstelten Leidenschaft, sie war elegant wie eine Herrscherin.
»Behandelt er dich gut?«, fragte Paul, als Rozenn sich nach einer Drehung und zwei Kreuzschritten wieder in seinen Bann drehte.
»Er behandelt mich wie eine Lady.«
»Ach, und wie hab ich dich behandelt – wie einen indischen Elefanten?«
Ihr aufwallender Zorn ließ sie noch stolzer und skandalöser um Paul tanzen; sie stieß ihn weg, er zog sie an sich.
»Als du dich hast scheiden lassen, habe ich mich gefühlt wie ein Nichts«, zischte er in ihr Haar, als er sie rückwärts zwischen den anderen tanzenden Paaren entlangdirigierte; unbarmherzig.
»Dann hat es ja seinen Zweck erfüllt«, knurrte Rozenn und glitt aus seinem Griff, kickte ihr Bein links und rechts an seinen Schenkeln entlang; er machte eine kleine Seitwärtsbewegung und bog ihren Körper, so dass sie in seinen Armen lag, den Kopf zurückgelegt.
»Du denkst, dass eine Scheidung für immer ist?«, sagte Paul und ließ sich in die dunklen Tunnel ihrer Augen ziehen. »So wie die Ehe, bis dass der Tod euch voneinander erlöst?«
Sie richtete sich wieder auf, dabei zog Paul Rozenn so dicht an sich, dass ihre Lippen nur einen Schmetterlingsflügelschlag voneinander entfernt waren. Paul konnte Rozenns Parfüm riechen, die Seife, die sie immer zwischen ihre Wäsche legte. Und dass sie zuletzt Cidre getrunken hatte.
Ihre Fingernägel pfählten sein Fleisch im Rücken. »Nichtsnutziger Mistkerl«, fauchte sie.
Ihr Tanz war ein Liebeskampf, der all seine Waffen zückt: Erniedrigung und Kränkung, Sehnsucht und Qual, ein Echo der Zärtlichkeit, die gleichermaßen übelgenommen wird.
Rozenn bemerkte, dass sich sein erhobenes Geschlecht an ihre Hüfte drückte. Sie rieb sich daran. Sah in seine Augen, und Paul sah Triumph, Lust und tiefe Verzweiflung.
Wie Magneten, die sich anzogen, beim Aufprall ihre Pole ändern, um sich wieder abzustoßen, Anlauf nehmen und wieder und wieder aufeinanderknallen, rücksichtslos, schamlos, obsessiv. Lust. Sie hatten solche Lust aufeinander.
Paul musste nicht zu Serge schauen, um sich zu vergewissern, dass dem nicht gefiel, was er sah.
Serge sah, wie Paul in Rozenn etwas so sehr erschütterte, etwas, woran er nie würde rühren können. Seine Handknöchel wurden weiß, so fest hielt er sich an seinen Fingern. Auch als Paul mit Rozenn von der Mole wegtanzte, weg vom Licht, hinein in die Nacht, konnte Serge nicht aufstehen. Er schaffte es einfach nicht.
Colette schaffte es nicht, sich von Sidonies Gesicht zu lösen. Sie fühlte sich wie eine Flipperkugel, die auf der zitternden Spitze des letzten Schleuderhebels vor dem Verlierertor balancierte.
Was ist das?, hatte sie gefragt, und Colette stellte damit alles in Frage, auch ihr Leben. Besonders ihr Leben. Es hätte auch anders verlaufen können.
»Weißt du es denn immer noch nicht?«, fragte Sidonie, in ihren Augen rollte ein Meer heran. Tränen.
»Ist es zu spät?«, sagte Colette.
Bevor Sidonie antworten konnte, ließ sie das Geräusch von zerschellenden Gläsern auf dem Asphalt, gefolgt von Schreien und einer wütenden Männerstimme, zusammenfahren.
Serge hatte den Tisch umgeworfen, an dem er so regungslos gesessen war und nicht verhindert hatte, dass Paul Rozenn weggeführt hatte, um sie im Schutz der Schatten zu lieben.
Jeanremy, Simon und der Fleischer Laurent aus dem Intermarché rangen den Wütenden nieder und steckten ihn ins Kühlhaus, schlossen ihn neben Meerbarben und halbgebackenen Baguettes ein.
Die Musiker auf der Bühne riefen alle Tanzenden zur Gavotte auf, dem bretonischen Ringtanz, der erst dann funktioniert, wenn alle mittanzen, jeder mit jedem. Der Großvater mit seiner gepiercten Nichte, der Bürgermeister mit der skandalösen Witwe des Dorfes, ihr Liebhaber mit der Pfarrersfrau, nur die kleinen Finger miteinander verhakt. Die Männer hüpften, die Frauen drehten sich um sie, ein bisschen kokett, ein bisschen zaghaft.
Pascale fand sich neben einem Bootsingenieur aus Raguenez wieder, der sie fragte, ob sie ihm ihre gute Hexe, die sie ja
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