Die Mondspielerin: Roman (German Edition)
entstehen schien – auf ihrem Venushügel, tief in ihr, in ihrem Mund, unter dem Nabel, fühlte sie sich, als ob ihr jemand die Beine wegzog und sie in einen tiefen Brunnen saugte. Sie lag ganz still und ließ die Wellen in sich branden. Sie stöhnte. Es war Lust und Trauer, Erleichterung und Qual. Es war der Himmel.
Yann sah sie unverwandt an und hörte nicht auf. Er hörte nicht auf.
Als die Wellen verebbten, begann Marianne erst leise, dann immer befreiter zu lachen.
Yann sah sie an, wurde sanfter in seinen Bewegungen, lächelte, fragte: »Quoi?«, aber sie wusste nicht, wie sie ihm auf Französisch sagen sollte, dass Frauen seltsam werden, wenn sie keine regelmäßigen Orgasmen haben, das sei ihr soeben klargeworden.
Sie lachte, strich Yann über sein kluges Gesicht und sagte mit einer Stimme, die sie selbst an sich nicht kannte: »Encore.« Ich fordere alles, Yann. Kenne meinen Körper. Kenne meine Seele. Fang gleich damit an.
Marianne stand auf und öffnete das Fenster. Die wie frisch gewaschene, seidig kühle Nachtluft traf auf ihre erhitzte Haut wie ein zarter Schauer aus federleichtem Schnee. Sie atmete tief durch.
Als Yann gekommen war … Mon Dieu. Marianne hatte nicht gewusst, wie Männer kommen konnten. Das war … unglaublich. Es war eine Droge, Yann in Leidenschaft ergeben zu sehen, zu fühlen, wie er sich verströmte und noch tiefer in sie hineinwollte, sich auflösen, in ihr vergehen, und dann der Moment, wo er da war, Frieden suchte, ihn fand. Wie er sie angesehen und ihren Namen gestöhnt hatte.
»Darf ich dich gleich noch mal malen?«, fragte er vom Bett aus.
»Vorher – nachher?«, fragte sie auf Deutsch. »Haben Sie auch Lust auf eine Typveränderung?«, imitierte sie den Duktus aus dem Shoppingkanal. Schon passiert, dachte Marianne. Schon passiert.
Sie reichte ihm die Fliese, die sie hierhergeführt hatte; das Bild des Hafens von Kerdruc und ein kleines rotes Boot. Die Mariann.
»Deswegen kam ich hierher. Wenn man es so sehen will, hat mich deine Fliese zu dir gerufen.«
Er zog Marianne zu sich und umschlang ihren Körper; warm drückten sich seine Lenden an ihren Po.
»Wir nehmen hier solche Zufälle ernst. Sehr ernst«, betonte er. »Es sind Zeichen, die uns das Leben gibt.«
»Das ist genau die Sorte Zufälle, die mir fehlte.«
31
E in von der Liebe ignorierter Mann muss so lange etwas Geistloses tun, bis er wieder fähig ist, einen klaren Gedanken zu fassen. Deshalb schmirgelte Simon an seinem alten Boot herum. Stundenlang. Colette hatte ihn nicht haben wollen.
Ein dampfender Julitag, von dem man sich wünschte, er möge in einem Sturm enden; einem jener Sorte, der neue Erkenntnisse, Kühle und Träume mit sich trug und sie in den Herzen ausleerte.
Paul saß auf einem Klappstuhl. In seinem Gesichtsausdruck hatte sich der Genuss der eigenen Unfehlbarkeit abgezeichnet wie ein Ziegenhuf im Lehm. »Es gibt viele verworrene Wege, um zu lieben. Wahrscheinlich mehr Wege, als die Bretagne hat.«
Simon schmirgelte.
»Ich meine, sieh dir den Koch an. Er denkt, keiner weiß, dass er in Laurine verliebt ist, dabei weiß es jeder, nur nicht Laurine. Ob Laurine in ihn verliebt ist, weiß sie vielleicht selbst nicht.«
»Bist du jetzt der große Frauenkenner?«, knurrte Simon.
»Ich teile Frauen in drei Kategorien auf …«
»Das tust du ständig.«
»Die einen lieben es, verliebt zu sein. Die nächsten lieben es, andere in sich verliebt zu machen. Und die dritten …«
»Bist du jetzt eigentlich wieder mit Rozenn zusammen?«
»Teilweise.«
»Mit welchem Teil, das kann ich mir schon denken.« Simon reckte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht.
»Ich bin ihr Liebhaber.«
»Was? Sie bleibt mit Serge zusammen?«
»Sie mag ihn.«
»Und mit dir schläft sie.«
»Das mag sie noch mehr.«
»Sag mal, hast du in deinem Leben eigentlich nichts gelernt, Paul? Männer, die sich als Liebhaber hergeben, werden von Frauen nich’ ernst genommen. So sieht das aus. Jede Frau will einen Mann, der ihr sagt: Ich will dich ganz oder gar nich’.«
»Ach, du kennst dich damit aus, ja? Weil es bei dir und Colette ja so gut …« Paul kam nicht dazu, seinen Satz zu beenden; ein Motorrad rollte auf den Hof. Jeanremy.
»Und tu jetzt bloß nich’ so onkelhaft und erzähl ihm deine Weisheiten über die Liebe, Paul.«
Die drei Männer begrüßten einander, Jeanremy steckte den Honig ein, den Simon für ihn zurückgestellt hatte und den er für die Honigsaucen brauchen würde, die die Pariser
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