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Die Mondspielerin: Roman (German Edition)

Die Mondspielerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Mondspielerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina George
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war.
    Madame Geneviève hatte diesen Entschluss vergangene Nacht gefasst, als sie, Marianne und Grete zusammengesessen hatten. Zum ersten Mal hatte Marianne offen darüber gesprochen, dass sie nach Kerdruc gekommen war, um sich umzubringen. Und wie Tag für Tag verging, und sie dieses Vorhaben mehr und mehr verschob, bis von der Absicht nicht mehr als ein tiefer Schrecken, das Leben ungelebt gelebt zu haben, übrig blieb. Und sich dann der unbändige Wille Bahn gebrochen hatte, das Leben fest in beide Hände zu nehmen – in die eigenen.
    Geneviève war aufgestanden und hatte sich vor Marianne verbeugt. Sie hatte tiefe Hochachtung vor dieser Frau, die so viel Mut aufbrachte, ihre Niederlage des falschen Weges zu korrigieren.
    Anders als sie. Sie war die Frau, die nichts korrigierte, die die Schatten der Vergangenheit bewahrte und sie als Kleider getarnt in einer Abseite der Realität hütete wie lebendige Leichname. Und ein bisschen wünschte sich Geneviève, dass diese Kraft, sich selbst zu verzaubern und das Schicksalsbuch zu redigieren, auf sie übersprang, wenn sie die Tür zu ihrer Vergangenheit öffnete.
    Marianne ließ ihre Hand über die Stoffe der Kleider gleiten, die sie schon einmal heimlich berührt hatte. Und als ob die Kleider lebten und mit wispernden Stimmen und seufzend ihre Erlebnisse preisgaben, spürte Marianne ein Prickeln in den Fingern, das mal anschwoll, mal abschwoll.
    Eines schien aus Feuer zu bestehen. Es hütete eine Erinnerung, die so kraftvoll war, dass nichts sie aus den Fasern fortwaschen konnte. Es glühte, und die Hitze jagte ihren Arm hinauf und in ihre Brust. Sie hielt es fest und hörte, wie Madame Geneviève neben ihr scharf die Luft einsog. Es war das rote Kleid.
    Sie trat einen Schritt zurück und ließ Madame Geneviève das Kleid von der Stange nehmen. Die Ecollier bettete es auf ihren Arm, und ihr Blick floh in die Gefangenschaft ihrer Erinnerungen mit Gitterstäben aus verlorenem Glück.
    »Ich trug dieses Kleid bei meiner Verlobung«, flüsterte Geneviève. Ihre Hände streichelten über den glatten, schimmernden Stoff.
    »Als alles begann. Alles. Und nichts endete. Nichts.«
    Ihre Gesichtszüge wurden weicher. »Als ich mich in den Bruder meines zukünftigen Mannes verliebte, trug ich dieses Kleid. Das Leben war gut zu mir, ich war jung und schön, und ich liebte diesen Mann. Zu lieben … zu lieben ist etwas anderes, als geliebt zu werden. Zu geben, zu sehen, wie ein Mensch auflebt und lebt von deiner Liebe. Was du für eine Kraft besitzt, und dass diese Kraft einen Menschen zu dem Besten macht, was er sein kann …«
    Sie senkte den Kopf. »Alain wollte meine Liebe nicht. Wo sollte ich denn mit ihr hin? Wo sollte ich mit dieser Liebe hin?«
    Tränen fielen auf das Kleid.
    Marianne ließ Geneviève weinen, es war, als ob ein Stein auseinanderbersten würde, und an den Schluchzern hörte Marianne, dass diese Tränen zum ersten Mal vergossen wurden. Inmitten dieser Kleider, in denen Geneviève drei Sommer, drei Herbstzeiten, zwei Winter und zwei Frühlinge erlebt hatte, weinte sie um den verlorenen Mann und um die Frau, die sie gewesen war und die danach verlorenging. Weil es keinen Ort gab, an dem ihre Liebe willkommen war, und ihre Kraft sich ungebraucht wandelte, bis sie zu Hass erkaltete. Zu hassen war leichter, als ungewollt zu lieben.
    Zärtlich strich Marianne über Genevièves Haar. Wie streng diese Frau ihre Liebe gehütet und ihr nie mehr gestattet hatte, sich emporzuschwingen!
    Alain. Natürlich. Der Mann, der auf der anderen Seite des Flusses wohnte, näher vermochte er der Frau, deren Liebe er einst zurückgeschmettert hatte, nicht zu kommen.
    »Lieben Sie Alain noch?«, fragte Marianne.
    Geneviève atmete mit geöffnetem Mund aus. Wieder berührte sie das Kleid.
    »Jeden Tag. Jeden Tag liebe ich ihn und hasse mich dafür.« Sie fasste sich an den strengen Zopf. Dann stand sie auf.
    »Sehen wir zu, dass wir Sie in dieses Ding hier kriegen, Mariann.«
    Madame Geneviève hielt ihr das rote Kleid hin. Sie hatte zum ersten Mal Mariannes Namen ausgesprochen.
    Langsam schüttelte Marianne den Kopf. »Sie sollten es tragen, Geneviève«, sagte sie sanft. Und griff nach einem anderen, einem blauen Kleid, das schimmerte wie die See, wenn die Sonne sie küsste.

42
    A lain setzte sich neben Laurine auf die helle Steinbrüstung, die die Zufahrt zur Bar Tabac an der Wasserseite umfriedete; nachdem es zu viele unfreiwillige Fahrten von der abschüssigen Straße zum Hafen

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