Die Monster-Strige
wir hier nicht sitzen, um zu versauern. Vielleicht haben auch wir Fehler begangen.«
»Die waren?«
»Ich kann nur vermuten und dir sagen, was mir in letzter Zeit durch den Kopf gegangen ist.«
»Bitte, ich höre.«
Myxin schaute aus dem Fenster, ohne den Eisernen Engel allerdings sehen zu können. »Es könnte sein, daß wir uns zu stark zurückgezogen haben. Wir hätten uns mehr in die Offensive begeben sollen, wie unsere Freunde John und Suko. Wahrscheinlich hätten wir ihnen so manches Mal helfen können. Aber was haben wir statt dessen getan? Nichts. Wir haben hier herumgesessen und uns auf uns selbst verlassen, uns dabei mit der Vergangenheit beschäftigt und darauf gehofft, daß sich einiges von dem, was schon so lange zurückliegt, in dieser Zeit aufklären läßt. Aber das scheint mir vorbei zu sein.«
Kara schwieg.
Es gefiel Myxin nicht. »Ist das nicht auch deine Meinung?«
»Nur zum Teil.«
»Warum?«
»Ich will es dir erklären. Ich habe meinem Vater ein Versprechen gegeben. In unserer Welt hätten wir anders reagiert, aber hier sind wir fremd. In dieser Zeit sollten wir uns nur um Dinge kümmern, die uns angehen, die mit unserem damaligen Leben oder der damaligen Existenz zu tun haben. Wir sind fremd, wir werden Fremde bleiben, und wer den Eisernen Engel auf der Straße sieht, der wird die Polizei rufen, weil es eine solche Gestalt einfach nicht geben kann. Du weißt, was ich damit meine?«
»Sicher.«
»Also machen wir weiter wie bisher.«
Myxin hob die Schultern. »Keine Ahnung, Kara, doch jetzt solltest du dich wirklich um unseren Freund kümmern.«
»Das werde ich auch machen.« Die Schöne aus dem Totenreich verließ die Hütte und betrat das Gebiet, in dem praktisch ewiger Frühling herrschte.
Abgeschirmt durch die Magie der Steine war dieser unsichtbare Flecken Erde zu einem Refugium geworden, in dem man sich als Mensch wohl fühlen konnte, vorausgesetzt, man war bescheiden und rannte nicht hinter den materiellen Gütern her.
Kara ging einige Schritte durch das weiche Gras, das hier einen Teppich bildete. Sie lauschte dem Plätschern des Bachs mit dem kristallklaren Wasser, sie saugte die herrliche Frühlingsluft ein, und sie schaute gegen einen blauen Himmel, an dem sich einige weiße Wolken abzeichneten.
Es war wie immer, es gab keine Bedrohung, denn auch die Steine
›meldeten‹ sich nicht.
Sie standen da, als wären sie für alle Ewigkeiten gebaut worden. Ein Monument, das aus vier Einzelheiten bestand. Graue, schlanke Felsen, an denen nichts Ungewöhnliches zu sehen war, die aber, wenn sie magisch aufgeladen waren, völlig andere Welten eröffnen konnten. Dann sorgten die Steine für Zeitreisen, dann glühten sie rot auf und speicherten die alte Magie.
Schon oft war versucht worden, sie zu manipulieren und anzugreifen, aber sie hatten die Attacken der dämonischen Seite immer wieder überstanden und waren deshalb zu wichtigen Helfern für Kara und Myxin geworden.
Die Frau schaute sich um. Eigentlich war das Gebiet nicht sehr groß.
Gras, Büsche, ein kleiner Wald, einige kleine Gartenstücke hinter dem Haus, auch Sommerblumen, der Bach und die Hütte aus Holz, die genügend Platz bot. Mehr brauchten sie nicht, und es würde im Normalfall auch nichts diese Idylle stören.
Auch jetzt war alles okay. Hätte man meinen können, aber Kara war längst von einem Gefühl überfallen worden, daß die Dinge doch anders aussahen, als sie es sich gedacht hatte und wie sie sich ihr vorstellten.
Sie suchte den Eisernen Engel.
Er war nicht da. Oder nicht zu sehen. Viele Möglichkeiten, sich zu verstecken, gab es nicht. Höchstens am Rand des kleinen Wäldchens, und dort wollte Kara hin.
Sie mußte einen Hang hochgehen, um den Platz zu erreichen. Das Gras wuchs hoch, es duftete, und auch Sommerblumen streckten sich blühend in die Höhe.
Sie gaben dem Hang ein farbiges Flair. Weiter oben, wo der lichte Wald begann, da hockte der Eiserne Engel auf dem Boden. Die Beine angezogen, die Hände um die Knie geschlungen. Von seinem Platz aus konnte er die Flammenden Steine ebenso sehen wie die Hütte, aber er konnte auch über das Dach hinwegschauen, und so verlor sich sein Blick in der Ferne.
Kara ließ sich Zeit. Sie beobachtete den Freund, der sein Aussehen nicht verändert hatte. Noch immer sah er so mächtig aus, noch immer wirkte er mehr wie eine Figur. Seine grauen Umrisse, das mächtige Schwert, und manchmal, wenn die Sonne gegen die graue Gestalt schien, bekam sie einen
Weitere Kostenlose Bücher