Die Monster-Strige
»Hoffentlich nicht zu lange.«
»Das weiß ich nicht«, murmelte er. »Aber ich sage dir, es wird kommen. Heute noch.«
»Soll ich Myxin Bescheid geben?« Kara hatte schon aufstehen wollen, doch eine Hand hielt sie zurück. »Nein, das ist nicht nötig. Wir müssen erst wissen, um was es sich dreht. Alles andere wird sich von selbst erledigen.«
»Ja, ich vertraue dir.«
Die nächsten Minuten vergingen in einer quälenden Langsamkeit.
Das große Warten begann, und Kara schaute auch immer wieder nach oben, weil sie dort nach einer Veränderung suchte, die aber tat sich nicht vor ihren Augen auf. Es blieb normal…
Der Eiserne Engel stand plötzlich auf, was Kara verwunderte. »Hast du etwas gesehen?«
»Gespürt«, flüsterte er.
»Wo?«
»Es ist in der Nähe«, murmelte er. »Es ist ziemlich nah, nur weiß ich nicht, ob es den Durchbruch schafft. Aber ich glaube es schon, denn es hat die Magie der Steine gespürt.«
»Dann wird es also kommen.«
»Ja!«
Kara steckte noch immer voller Neugierde, und der Eiserne Engel hatte das Wort soeben ausgesprochen, als tatsächlich etwas passierte.
Plötzlich zitterte die Luft direkt über dem Viereck der Steine, und sie sah aus, als hätte sie einen Riß bekommen, der blitzartig zu einer großen Lücke aufklaffte. Ein Bild erschien.
Beide sahen es, und beide hielten den Atem an…
Es war ein in der Luft schwebendes Untier. Ein gewaltiger Vogel, größer als der Eiserne Engel, das war jetzt schon zu sehen. Sein leicht gekrümmter Schnabel hatte die Länge von Schwertern, die allerdings die typische Krümmung eines Vögelschnabels zeigten. Zwischen den Schnabelhälften schien sich ein Opfer zu befinden.
Kara hatte ihre Hände zu Fäusten geballt.
Sie konnte kaum glauben, was sie dort zu sehen bekam, und der Eiserne Engel tastete nach seinem mächtigen Schwert, das an der linken Seite hing.
Seine Augen zuckten. Er bewegte heftig seine Wangen, bevor er sagte:
»Das ist er, das ist der Feind…«
»Kennst du ihn?«
»Weiß nicht…«
»Nicht von früher her?«
Kara erhielt keine Antwort, denn der sich über den Steinen abzeichnende Riesenvogel handelte jetzt. Er öffnete den Schnabel, und seine Beute rutschte nach unten.
Kara und der Eiserne Engel erkannten, was dort in das magische Gebiet der Flammenden Steine hineinfiel, die sich selbst nicht regten und keine rötliche Farbe angenommen hatten.
Es waren Arme, Beine, ein Rumpf und ein Kopf. Ein Mensch, der zerbissen war.
Einen Augenblick später war das Bild verschwunden.
Aber die Teile lagen noch immer dort…
***
Kara und der Eiserne Engel waren aufgesprungen und zur Hütte geeilt, hatten Myxin alarmiert und waren mit ihm zusammen zu dem Ort hingelaufen, wo sich das Grauen abgespielt hatte.
Jetzt standen sie in der magischen Zone zwischen den Steinen, schauten sich an und blickten hin und wieder auf die blutigen Reste, die einmal ein Mensch gewesen waren. Niemand sprach. Das Entsetzen war zu groß.
Es drückte ihre Gedanken zurück. Der Eiserne Engel blickte immer wieder zu Boden, während sich Myxin die Steine anschaute und Kara den Himmel darüber beobachtete, als erwartete sie jeden Augenblick, daß dort wieder ein Riß entstand und ein erneutes Grauen seinen Weg nach unten fand.
Schließlich bückte sich der kleine Magier und blickte in das starre und noch von Entsetzen gezeichnete Gesicht. Die Augen waren verdreht, der Mund stand weit offen. Im blonden Haar klebte Blut, das auch aus dem Mund geströmt war und das Gesicht in der unteren Hälfte gezeichnet hatte.
»Und es fiel vom Himmel der Tod. Er machte die Menschen sprachlos«, murmelte Kara.
Sie kriegte keine Antwort, obwohl sie eine erwartete, und da war der Eiserne Engel gefordert.
Der aber schwieg.
»Wir müssen die Überreste begraben«, sagte Myxin.
»Später.«
»Warum das?«
Der Eiserne Engel hob die Schultern. »Laß uns noch einige Minuten warten, denn ich spüre genau, daß Kara auf eine Erklärung wartet. Ist es nicht so?«
»Das stimmt.«
»Ich kann euch keine geben, die uns alle zufriedenstellen wird. Ich habe gewußt, daß etwas passiert. Es war ein Gefühl, irgend etwas hat sich mit mir verbunden. Eine unheimliche Kraft und Macht, die nicht von dieser Welt ist, nicht von der normalen, nicht aus dieser Zeit, die ich aber trotzdem nicht begreifen kann.«
»Es war ein Vögel«, sagte Kara.
»Ja, ein Monster. Riesengroß.«
»Und du bist einmal Anführer der Vogelmenschen gewesen. Daran solltest du dich
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