Die Monster von Templeton
hatte vier seinerBücher schnell durch, denn wenn Temple als Schriftsteller eines konnte, dann war es die Entfaltung einer fesselnden Handlung.
Heute jedoch, an jenem elenden Tag in der Hitze Mitte August, an dem ich mich im Eiltempo durch sein Werk fraß, war ich auf der Suche nach Ideen, was den Mann selbst betraf. Hazel Pomeroy döste entweder vor sich hin oder führte Selbstgespräche, während sie immer exklusivere Bände für mich ausgrub. Peter Lieder massierte mir die Schultern, was sie jedoch nur noch verspannter machte, weil ich sie bis zu den Ohren hochzog.
Folgendes erfuhr ich:
… dass JFT – wie ich – ein Zyniker gewesen war. In
Notizen aus einer amerikanischen Weste
schrieb er: «Gleichheit in gesellschaftlichem Sinne kann unterschieden werden in die Gleichheit der Bedingungen und die Gleichheit der Rechte. Die Gleichheit der Bedingungen ist unvereinbar mit der Zivilisation und findet sich einzig und allein in jenen Gemeinschaften, die sich nur wenig vom Status des Wilden fortentwickelt haben. In der Praxis können sie nur eines bedeuten: gemeinschaftliches Elend.»
… dass JFT – ganz anders als ich – prüde gewesen war. In
Endlich zu Hause
schrieb er über seine Reisen im Ausland: «Die Frauen hatten die verabscheuenswürdige Angewohnheit, sich Belladonna in die Augen zu tröpfeln, damit sie ebenso funkelten wie die Diamanten, mit denen ihre Hände überkrustet waren; sich rote Farbe in kleinen kreisrunden Flecken auf die Wangen und auf die Lippen zu malen, um lüsterne Gedanken vorzugeben; und die großen, ausladenden Flächen ihrer Brüste zu entblößen, indem sie ihre Üppigkeit der Gesellschaft zum Genuss offenbarten.»
… dass er – in beträchtlichem Unterschied zu mir – ein größeres Vaterproblem hatte. In
Luciferslips
ist sein Protagonist, Cornelius (Corny) Legge, der Sohn des Grundbesitzers von Albany, ein junger Tunichtgut edler Abstammung, den sein Vater zugunsten des Bruders enterbt. Corny begibt sich in die Stadt Luciferslips in der finstersten Wildnis, so benannt, weil es dort zwei Seen gibt, die ein Paar Lippen bilden, angeblich die Lippen Luzifers aus der Zeit seiner Vertreibung aus dem Himmel, wodurch auf dem Boden ein gewaltiges Gesicht zu erkennen ist. Dort wird Corny ein großer Mann und kommt allmählich zu Geld und Macht. Er kehrt nach Albany zurück, um seinem Vater zu zeigen, wer er ist. Als der große Mann seinen verlorenen Sohn wiedererkennt, erstickt er vor Schreck an einem Stück Hammelfleisch.
Richard Temple
Auf einem Stich, circa aus dem Jahre 1833. Er steht auf der Veranda von Edgewater, das er für seine Braut errichtet und kurz vor ihrem Tode im Kindbett vollendet hatte. Man beachte, dass der Künstler sich zwar alle Mühe gegeben hat, Richard so glatthäutig darzustellen wie nur möglich, ihn dies jedoch nicht davon abhielt, einen dichten Haarwuchs überall auf dem Kinn des Ärmsten zu verteilen. Richard war ausgesprochen behaart.
Über Frauen jedoch fand ich überhaupt nichts. Nicht ein einziger Ehebrecher tauchte in den Büchern auf. Eine Geliebte wurde nirgends erwähnt. In der Welt von Jacob Franklin Temple waren Frauen schicklich und unschuldig, und die Besten unter ihnen waren ebenso keusch wie mutig.
Dennoch war ich nicht ganz ohne Hoffnung. Als ich am Tag zuvor Clarissa angerufen hatte, war ihre Stimme ganz tief vor Erregung gewesen. «Ich hab gerade was für dich zur Post gebracht», sagte sie. «Ich weiß nicht, wonach du suchst, aber für mich klang es ziemlich faszinierend.» Und ich mochte sie noch so bitten und drängen und bedrohen, sie kicherte nur und weigerte sich, mir zu sagen, worum es sich handelte. «Du wirst schon sehen», sagte sie, immer noch lachend. «Wilhelmina Upton, wart einfach ab und schau’s dir an. O Mann, das ist vielleicht schräg.»
Während ich auf das Eintreffen ihres Päckchens wartete, saß ich in der Bibliothek und suchte und suchte. Der Nachmittag zog sich endlos hin, und als Hazels Ziegengemecker laut genug wurde, um mich endlich aus der Bibliothek zu vertreiben, gähnte ich, streckte mich und fuhr mir mit den Fingern durchs Haar. Den ganzen Tag über hatte ich Krämpfe gehabt, war aber so fixiert auf die Bücher gewesen, dass ich nicht weiter darauf geachtet hatte. Nun jedoch hatte ich nichts weiter, über das ich hätte nachdenken können, und so spürte ich die Krämpfe plötzlich wie scharfe Messerstiche in meinem Bauch. Ich drückte mit den Händen darauf und schloss die Augen.
Als ich sie
Weitere Kostenlose Bücher