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Die Monster von Templeton

Die Monster von Templeton

Titel: Die Monster von Templeton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Groff
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öffnete, fiel mein Blick auf Zeke Felcher, der von leuchtendgoldenem Licht überstrahlt am anderen Ende der Bibliothek auf einem Stuhl saß und mich beobachtete. Er hatte ein Buch von Jacob Franklin Temple auf dem Schoß. Als er sah, dass ich ihn bemerkt hatte, lächelte er, und aus der Ferne hatte es den Anschein, als würde sich seine Wange in Grübchen legen. So wie er in diesem Moment aussah, nahm ich den Overall von Carhartt gar nicht wahr; ebenso wenig sein schütteres Haar.
    Doch er gab keinen Ton von sich, bis auch ich zu lächeln begann und sagte: «Ezekiel.»
    «Wilhelmina», antwortete er.
    Es trat ein sehr langes Schweigen ein. Draußen glitzerte der See. Eine Schar weißer Möwen ließ sich wie ein Regen aus Papierschnipseln auf dem Rasen nieder. Hazel schob den quietschenden Bücherwagen in den hinteren Raum, und wir schauten uns immer noch an, lächelten wie die Idioten, und genau in diesem Moment kam ein neuer Krampf.
    Ich zuckte zusammen und drückte die Hände auf meinen Bauch.
    «Willie?» Jetzt war Ezekiel Felcher an meiner Seite. «Alles in Ordnung mit dir?»
    Ich stöhnte und sagte: «Nein.»
    «Ich bring dich nach Hause», sagte er, und sein Arm lag um meine Schulter. Mir blieb ein Moment, um einen Stapel Bücher in meine Tasche zu schieben, dann waren wir raus aus der muffigen Bibliothek und traten ins Tageslicht, er half mir in den unaufgeräumten Abschleppwagen mit seiner wackelköpfigen Pirates-Spielfigur auf dem Armaturenbrett. Der Krampf ging vorüber. Wir waren bereits draußen auf der West Lake Road, als ich die Augen öffnete und zu meiner Rechten das Bauernmuseum sah.
    «Aua», sagte ich.
    «Alles okay mit dir?», fragte er. «Gleich bist du da.»
    «Mir geht’s ganz gut jetzt», sagte ich. «Muss irgendwas Falsches zu Mittag gegessen haben.»
    «Mist», sagte er und schenkte mir ein winziges, besorgtes Lächeln.
    Draußen vor dem Fenster zog jetzt das Otesaga Hotel vorbei, das in dem Licht ganz rotgolden aussah. Wir fuhren die Lake Street hoch, vorbei an den Herrenhäusern und in die Auffahrt von Averell Cottage. Hier stellte Ezekiel sehr betont den Motor ab, drehte sich zu mir und wollte etwas sagen, tat es aber dann doch nicht, sondern beugte sich zu mir, nah und immer näher, und ich konnte den metallischen Geruch seines Atems spüren, bevor seine Lippen die meinen berührten. Ich starrte immer noch überrascht geradeaus, als ich meine Mutter sah, die aus dem Haus gelaufen kam, oben noch in ihrer Schwesternkleidung. Unten sah man ihre ausladende weiße Unterwäsche, die sich wie der Kopf eines Champignons über ihren fleischigen Oberschenkeln wölbte.
    Sie klopfte ans Fenster, und Ezekiel wich zurück, knallrot im Gesicht. Ich sprang aus dem Truck, und meine Mutter sagte atemlos: «Sunshine, Clarissa ist am Telefon, und sie klingt nicht gut. Sie hat nicht gesagt, warum.»
    «Scheiße», sagte ich und lief hinein, ließ Ezekiel in seinem großen Abschleppwagen sitzen, und Vi, halb nackt und halb unanständig, starrte ihn einen Moment lang an und lief mir dann hinterher.
    Einen Moment später hatte ich das Telefon in der Hand, hörte aber nichts am anderen Ende der Leitung. «Hallo, Liebes», sagte ich. «Clarissa?»
    «Ich glaube, Willie», sagte Clarissa in der fast klinisch nüchternen Stimme, die sie immer hatte, wenn sie schrecklich aufgewühlt war, «dass Sully mich vielleicht gerade eben verlassen hat.»
    «Moment mal», sagte ich. «Wie bitte?»
    «Sully», sagte sie. «Hat mich gerade endgültig verlassen. Wegen einer Yogalehrerin, die in Arizona arbeitet. Vor zehn Minuten. Sie hat sein ganzes Zeug zum Auto runtergetragen, während er mit mir Schluss gemacht hat.»
    Ich holte tief Luft. «Verdammte Kacke», sagte ich.
    «Ich weiß nicht, was ich machen soll», sagte sie.
    «Verdammte Kacke», sagte ich noch einmal.
    «Sie ist wirklich groß. So was wie eins neunzig. Und hat schiefe Zähne. Und ist überhaupt nicht hübsch, wirklich überhaupt nicht. Aber», sagte meine beste Freundin, «eins spricht für sie. Sie ist gesund. Strotzt geradezu vor Gesundheit. Offenbar eben keine Lupus-gebeutelte Nervensäge wie ich. Sie haben sich in der Krankenhaus-Cafeteria kennengelernt, als ich meine Behandlung kriegte. Sie hatte einen Splitter, der sich entzündet hatte», sagte sie und gab ein schreckliches, abgehacktes Lachen von sich. «Im kleinen Zeh.»
    Auf einmal wurde es im Haus ganz still, und hätte ich genau hin gehört, dann wäre mir aufgefallen, wie die nackten Füße

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