Die Monster von Templeton
wissen.
«Meine Periode hatte ausgesetzt», antwortete ich. «Mir war ständig schlecht. Es war klar.»
«Aha», sagte sie und schloss wieder die Augen.
Wieder erhoben sich zwischen uns die Geräusche des Krankenhauses, und ich hörte das Tip-Tap ihres clogbekleideten Fußes auf dem Boden.
Und da sagte sie, einfach so: «Das glauben wir nicht, Sunshine. Ich meine, dass du überhaupt wirklich schwanger warst.»
Ich blinzelte. «Wie bitte?», fragte ich.
«Hast du schon mal von einer hysterischen Schwangerschaft gehört? Man nennt es auch eine Scheinschwangerschaft.
Grossesse Nerveuse.
Du entwickelst alle Symptome einer richtigen Schwangerschaft, ohne wirklich guter Hoffnung zu sein.»
«Wie bitte?», fragte ich. «So kann es nicht gewesen sein.»
«Unglücklicherweise», sagte meine Mutter, «war es aber wohl so.»
«Nein», beharrte ich. «Ich bin nicht verrückt. Bei mir hat dreimal die Periode ausgesetzt. Mir war die ganze Zeit kotzübel. Mein Bauch wurde dicker. Nein, das ist nicht passiert. Ich habe
geblutet.
Da war ein Klümpchen.»
«Willie», sagte meine Mutter. «Das eben war eine außergewöhnlich starke Monatsblutung. Der Rest, na ja.»
«Na ja, was?», hakte ich nach und spürte die Panik, die sich meiner Stimme bemächtigte.
«Na ja, manchmal ist das Gehirn einfach viel, viel stärker als der Körper und kann ihn regelrecht austricksen, damit er glaubt, er täuscht sich. Oder manchmal ist es auch die Angst vor einer Schwangerschaft selbst, die das endokrine System zu einer falschen Annahme veranlasst. Der Psychologe meinte, du zeigst ein ganz normales psychisches Profil. Bloß stehst du unter einem gewaltigen Stress.»
Es trat eine endlos lange Pause ein, und ich hörte das Plappern eines Fernsehgeräts, ein Transportkarren rollte vorbei, und irgendwo heulte ein kleines Kind, das einfach nur heimwollte.
«O mein Gott», sagte ich. «Ich kann das nicht glauben.»
Sie lächelte mich erschöpft an und sagte: «Du bist nicht die Einzige auf der Welt, der das passiert ist, Wilhelmina. Es ist sogar schon bei Männern vorgekommen, wenn du dir das vorstellen kannst. Und es wird nicht über die Mauern dieses Krankenhauses hinausdringen.»
«Genau. Sag mir eine andere Person, Vi, der das auch passiert ist. Das alles ist so bescheuert.»
Meine Mutter dachte kurz nach und sagte dann: «Mary Tudor, Königin von England. Sie dachte wirklich lange Zeit, sie sei schwanger. Natürlich war sie das nicht. Sie war nämlich unfruchtbar.»
Ich starrte sie mit offenem Mund an. «Du meinst Bloody Mary?», fragte ich. «Du meinst die Königin, die für den Tod Tausender ihrer Untertanen verantwortlich ist?»
«Ich habe nicht gesagt», sagte meine Mutter und musste sich ein Grinsenverkneifen, «dass das notwendigerweise nur geistig gesunden Menschen zustößt.»
«Du sagtest, ich hätte ein normales psychisches Profil», sagte ich.
«Das hast du auch», bestätigte Vi. «Soweit wir das wissen können.»
«Ich muss gleich kotzen», sagte ich.
«Wenigstens wissen wir jetzt, dass es sich nicht um morgendliche Übelkeit handelt», meinte Vi.
Ihre silbrigen Zahnfüllungen blitzten im Neonlicht auf, als sie den Mund weit öffnete, um zu lächeln. Ich sagte: «Ich hab dich lieb, Vi, aber manchmal denke ich, ich hasse dich auch ein bisschen.»
«Ja, ja.» Sie stand auf und küsste mich auf die Stirn. «Ich hab dich auch lieb. Und es tut mir wirklich leid. Damit war nicht zu rechnen. Und es tut mir aufrichtig leid wegen deines Verlusts.»
«Ja, das stimmt», sagte ich. «Ich habe etwas verloren. Ich habe das Gefühl, als hätte ich etwas verloren, Vi.»
Sie strich mir das Haar aus dem Gesicht und schaute mich lange und seltsam an. «Ich weiß, dass das so ist, Willie», sagte sie. «Und es tut mir wirklich leid für dich.»
Während Vi hinausging, um den Papierkram zu erledigen, strich ich mit den Händen wieder und wieder über meinen Nabel. Dort, wo ich einmal einen anderen Herzschlag gefühlt hatte, spürte ich jetzt nichts mehr. Luft und Bauch, Körpersäfte und Blut. Kein bisschen wuchs da was in mir; nicht einmal das winzigste Klümpchen der Welt.
Und so wartete ich im Krankenhaus, unter den bleichen, summenden Lichtern, inmitten der gedämpften Geräusche so vieler menschlicher Körper, die Krankheit und Traurigkeit in die wiederaufbereitete Luft hinausatmeten. Und als mir bewusst wurde, dass meine Mutter hinausgegangen war, um mich einen Moment in Ruhe zu lassen, nahm ich den Umschlag, den ich
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