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Die Monster von Templeton

Die Monster von Templeton

Titel: Die Monster von Templeton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Groff
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Kaffee und dazu meine beste Freundin, die mich zum Lachen bringt, und dann will ich nach Hause, ein heißes Bad nehmen und meine Story zu Ende schreiben, die schon vor drei Tagen fällig war, und dann ins Bett. Tut mir leid, Willie», sagte sie. «Aber jeder nervt mich mit dieser Sache, und ich hab einfach die Schnauze voll.»
    «Okay», sagte ich und setzte mich. «Du kleine, süße Faschistin.»
    «Mein Körper ist der Fascho», sagte sie und lachte, und dabei klang sie so sehr wie die alte Clarissa, dass auch ich lächelte und hoffte und mir mein Omelett bestellte.
    Ein paar Wochen danach war Clarissa verschwunden. Ich rief sie an, doch weder nahm sie ab, noch rief sie zurück. Jedes Mal, wenn ich bei ihrer Wohnung vorbeischaute und klingelte, reagierte keiner, niemand betätigte den Türöffner, und so ging ich davon aus, dass sie sich besser fühlte und unterwegs war, um Leute für eine ihrer Storys zu interviewen. Eines Abends war ich mit einem erstaunlich dämlichen Jurastudenten in einem kleinen Tapas-Restaurant in Menlo Park verabredet und bereits nach einer Stunde ganz hibbelig vor Langeweile. In diesem Moment klingelte mein Handy. Auf dem Display sah ich, dass es Sully war. Ich liebte ihn dafür, dass er mich anrief, und ging unhöflicherweise gleich dran. Doch aus Sullys leiser Stimme sprach Sorge, als er sagte: «Willie? Clarissa benimmt sich sonderbar. Wie schnell, glaubst du, könntest du hier sein?»
    «Zwanzig Minuten», sagte ich und lächelte meinen Rendezvouspartner an, der gerade sein fast leeres Weinglas über dem Mund auskippteund versuchte, mit der Zunge den letzten Tropfen herauszulecken. «Nein, korrigiere», sagte ich. «Achtzehn.»
    Als ich in ihre Wohnung kam, stand Clarissa mit hervortretenden Augen mitten auf dem Wohnzimmertisch. Sie trug nur ein Tanktop und keine Unterwäsche. Zusätzlich zu dem roten, maskenähnlichen Mal auf ihrem Gesicht hatte sie jetzt auch auf den Armen und Beinen seltsam geschwollene Streifen, und in den Händen hielt sie mehrere Wedel der großen Topfpalme, die ihr ganzer Stolz war, weil es die einzige Pflanze war, die bei ihr je überlebt hatte. Diese Wedel schwenkte sie rhythmisch in Richtung Boden und flüsterte dabei etwas Unverständliches vor sich hin.
    «Clarissa?», sagte ich, aber sie hörte mich nicht, weshalb ich näher trat und ihr ins Ohr flüsterte. «Clarissa? Was machst du denn, Liebes?»
    «Ameisen», unterbrach sie kurz ihren Singsang. «Ganze Heerscharen Ameisen versuchen an mir hochzuklettern.»
    Ich wandte mich zu Sully und warf ihm meine Schlüssel hin. «Fahr den Wagen vor», sagte ich. «Jetzt», und dann zog ich Clarissa gegen ihren Willen vom Couchtisch, zwang sie, Unterwäsche, einen Rock und Slipper anzuziehen, und trug sie schreiend, über meine Schulter gelegt, zum Wagen, wo Sully am Steuer saß, mit verkrampften weißen Fingerknöcheln und dem Gesichtsausdruck eines Menschen, der mehrfach geohrfeigt worden war.
    Im Krankenhaus ließ man uns nicht lange warten. Die erschöpfte Belegärztin kam aus Clarissas Zimmer und nahm unsere Hände in ihre feuchten, dicklichen Pranken. «Es tut mir sehr leid», begann sie, «aber mir scheint, Ihre Freundin leidet an Lupus Erythematodes in fortgeschrittenem Stadium. Die Hautveränderungen, die Psychose, die angeschwollenen Gelenke, das Fieber, das sind alles Symptome dieser Krankheit. Noch zwei Wochen mehr, und sie wäre völlig zusammengebrochen. Auch jetzt sind bereits ihre Nieren angegriffen und das Lungengewebe. Das Gehirn ebenfalls.» Sully sank auf einen Stuhl und legte den Kopf in die Hände.
    «Lupus, richtig? Das stimmt wirklich?», fragte ich. «Das ist doch keine schreckliche Krankheit. Nicht wie Aids oder so was. Richtig? Es ist doch heilbar.»
    «Es ist
nicht
heilbar», sagte die Ärztin. «Und es
ist
eine systemische Immunerkrankung. Doch mit Steroiden, Antipsychotika und Antidepressiva und möglicherweise noch einigen anderen fortgeschrittenen Behandlungsmethoden, über die wir später sprechen können, wäre Ihre Freundin durchaus in der Lage, ein gesundes Leben zu führen. Es bedeutet allerdings mindestens ein Jahr völliger Ruhe, bis sie den Punkt erreicht hat, an dem sie wieder ihrer Arbeit nachgehen kann. Ich würde sie gerne in eine klinische Versuchsreihe mit monoklonalen Antikörpern aufnehmen. Das ist teuer, aber sie ist die perfekte Kandidatin dafür.»
    «Unmöglich», sagte Sully. «Sie ist Journalistin. Eine der besten. Oder sie wird es noch. Sie ist total besessen

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