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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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umzusehen. Ich raste einen
    Häuserblock hinunter, einen anderen wieder hinauf, bis ich nicht mehr wußte, wo ich eigentlich war. Ich wußte nur, daß ich rannte.
    Auf einmal befand ich mich vor Martys Etagenhaus. Ich stürmte in den Eingang und lief zu seiner Wohnung hinauf. Ich ging zur Hintertür, die immer nur von Julie geöffnet wurde, und läutete. Dann erst wurde mir bewußt, wie verängstigt ich war. Mein Herz klopfte wie rasend, und ich konnte kaum atmen.
    Julie öffnete. Ich schoß an ihr vorbei und knallte die Tür zu.
    »Aber Frankie!« sagte sie. Dann sah sie mein blutbeflecktes Hemd. »Was ist los? Was ist passiert?«
    Ich antwortete nicht. Ich ging schnurstracks in ihr kleines Zimmer neben der Küche und warf mich aufs Bett, wo ich keuchend liegenblieb.
    Sie kam ins Zimmer und schloß die Tür hinter sich. »Was ist passiert, Frankie? Bist du verletzt?« Ihre Augen weiteten sich vor Angst.
    Ich richtete mich auf. »Nein«, sagte ich. »Sie haben gerade meinen Boss und Fennelli erschossen.«
    »Sie?« fragte sie. »Wer?«
    »Ich weiß es nicht. Ich bin nur gerannt.« Ich stand auf. Plötzlich merkte ich, daß ich etwas in der Hand hielt. Es was Keoughs Geldrolle. Ich hatte sie die ganze Zeit krampfhaft festgehalten. Ich steckte sie in die Tasche, trat ans Fenster und blickte hinaus. »Ob sie mir wohl hierher gefolgt sind?«
    Julie stand neben mir. »Du armer Junge, du bist ja zu Tode erschrocken.« Sie zog mich eng an sich.
    »Ich habe keine Angst«, log ich. Ich vergrub meinen Kopf an ihrer Brust. Es schien so warm und sicher dort. Ein Schauer durchrieselte mich; erst einer, dann wieder einer. Ich versuchte, dagegen anzukämpfen, aber es war zwecklos. In wenigen Sekunden zitterte ich am ganzen Leib, und mein Hemd war schweißnaß. Ich stand, von ihren Armen gehalten, zitternd und zähneklappernd da wie ein kleines Kind...
    Etwas später saß ich in dem kleinen Sessel, der in einer Ecke ihres Zimmers stand, und begann zu überlegen: >Niemand hat mich herkommen sehen. Ich nehme an, sie hatten es auf Fennelli abgesehen. An mir waren sie nicht interessiert. Keough mußten sie umlegen, weil er sie gesehen hatte. Aber ich hatte sie nicht gesehen. Deshalb ließen sie mich laufen. Die Polizei wird mich vielleicht verhören. Aber ich habe nichts gesehen. Solange ich meinen Mund halte, bin ich sicher. Keiner wird sich um mich kümmern.<
    Julie ging in die Küche, um mir etwas zu trinken zu holen. >Was soll ich bloß mit den Moneten anfangen?< Ich nahm die Scheine heraus und zählte sie. Es waren 653 Dollar. Ich steckte sie wieder in die Tasche. Julie kam mit einer Tasse Kaffee zurück.
    »Hier, trink das«, sagte sie. »Dann wird dir gleich besser.«
    Ich lächelte sie an. »Ich fühle mich schon sehr viel besser«, sagte ich und trank dankbar den Kaffee. »Aber in diesem Hemd kann ich nicht hier weg. Es ist voll Blut.« Ich zog es aus und gab es ihr. »Hier, wirf es in den Müllschlucker und gib mir eines von Marty.«
    Sie nahm schweigend das Hemd und verließ das Zimmer. Nach einer Weile kam sie wieder und hatte ein Hemd von Marty über dem Arm.
    Ich zog es an. Es war etwas zu eng, aber es ging.
    »Tausend Dank, Julie«, sagte ich. »Ich verschwinde am besten, bevor die Familie zurückkommt.«
    »Du brauchst dich nicht zu beeilen«, sagte Julie. »Sie sind alle zum Wochenende aufs Land gefahren, außer Mr. Cabell, und der kommt erst um eins, wenn Ladenschluß ist.«
    Ich aß mit ihr zu Abend. Gegen neun Uhr brach ich auf und ging ins Waisenhaus. Durch den Lieferanteneingang schlich ich mich in den Schlafsaal. Die Kinder schliefen schon alle. Ich zog mich rasch aus und war froh, als ich mich ins Bett fallen ließ. Hundemüde schlief ich sofort ein.
    Am nächsten Morgen rannte ich vor allen anderen nach unten, um hastig einen Blick in die Zeitungen zu werfen.
    Die Daily News verkündete mit dicker Schlagzeile: »Schüsse auf Fennelli«. Unter einem Bild von Fennelli stand:
    Wieder Bandenkrieg in New York
    Silk Fennelli, der berühmte Spieler und Schieber, wurde von einem unbekannten Gangster angeschossen und schwer verletzt. James (Jimmy) Keough wurde dabei ebenfalls angeschossen und getötet. Keough wurde von zwei Schüssen ins Herz getroffen, Fennelli erhielt eine Kugel in die Brust und eine in die Leistengegend. Die Schießerei fand gestern nachmittag vor Keoughs Billardsaal statt. Die Polizei fahndet nach einem Jungen, der für Keough gearbeitet haben soll und möglicherweise Zeuge des Verbrechens war.

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