Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
ging wieder hinter die Theke.
    Ich wischte mir das Gesicht am Ärmel ab und ging mit meinem Kasten auf die Nische zu. Es saßen noch zwei andere Leute dort:    ein    junger, gutgekleideter Mann und eine
    gutaussehende Frau.
    »Ich kann Ihre Schuhe nicht putzen, Mister«, sagte ich.
    »Warum nicht?« fragte Fennelli.
    »Die schwarze Politur ist ausgelaufen und liegt auf dem Boden«, sagte ich.
    Er langte in seine Tasche, holte eine Brieftasche hervor, nahm einen Fünf-Dollar-Schein heraus und hielt ihn mir hin. »Da, besorg dir neue«, sagte er.
    Ich betrachtete erst den Schein, dann Fennelli und marschierte wortlos zur Tür. Beim Hinausgehen hörte ich, wie Fennellis Begleiter sagte: »Fünfzig gegen hundert, daß der Bengel nicht zurückkommt, Silk.«
    Silk Fennelli lachte. »Gemacht!«
    »Ich glaube nicht, daß er je in seinem Leben soviel Geld gesehen hat«, meinte die Frau.
    »Da hast du wahrscheinlich recht«, sagte Silk. »Mir ging's genauso, als ich so alt war wie er.«
    Als ich zurückkam, waren sie beim Essen. Ich legte das Wechselgeld auf den Tisch und sagte: »Entschuldigen Sie, daß ich Sie warten ließ, aber der Kaufmann konnte den Fünfer nicht wechseln, und da mußte ich durch den ganzen Häuserblock laufen, um Kleingeld zu bekommen.«
    Ich kniete mich auf den Boden und begann seine Schuhe zu putzen.
    Der andere Mann zog seine Brieftasche, nahm einige Scheine heraus und gab sie Fennelli. Silk steckte sie, ohne zu zählen, in die Tasche. »Das sollte dir eine Lehre sein. Der Fachmann irrt sich nicht. - Wie heißt du, mein Sohn?« fragte er.
    »Francis Kane«, sagte ich. »Aber Sie können mich Frankie nennen. Alle meine Freunde nennen mich Frankie.«
    »Oh, ich bin also dein Freund, wie? Vorsicht, junger Mann. Freundschaft ist nichts, was man so leicht verschenkt. Geh nicht zu großzügig damit um«, sagte er.
    »Ich versteh nicht ganz, was Sie meinen«, sagte ich etwas unsicher, »ich finde Sie jedenfalls o.k.« Ich war mit dem Putzen fertig und stand auf.
    Der andere Mann und die Frau erhoben sich ebenfalls. »Wir müssen gehen, Silk. Bis später.«
    Silk stand auf. »Auf Wiedersehen«, sagte er zu ihnen.
    Als sie gegangen waren, fragte ich ihn: »Haben Sie kassiert, Mr. Fennelli?«
    »Was meinst du?«
    »Ich meine die Wette. Ich hab's nämlich gehört. Hat er Sie ausbezahlt?«
    Fennelli lachte. »Du hast es also gehört.«
    »Ja«, sagte ich. »Ich bin ja nicht blöd. Ich weiß, was gespielt wird.«
    Wieder mußte Fennelli lachen. »Setz dich«, sagte er, »und iß ein Sandwich. Woher kommst du?«
    »St.-Theresien-Waisenhaus.«
    »O. k. Du weißt also, was gespielt wird«, sagte er. Er sprach, als ob ich seinesgleichen wäre. »Du kommst mir so bekannt vor. Wo habe ich dich schon mal gesehen? In einem der Spielräume?«
    Er meinte damit die Lagerräume, die er in unserem Bezirk in Spielräume für Kinder umgewandelt hatte. Alle sagten, er habe ein gutes Werk für die Kinder in der Gegend getan, weil er sie von der Straße holte. Aber von Keough hatte ich mal gehört, daß mehr dahinterstecke. Fennelli wollte sich damit die späteren Kunden für seine Spielhallen erziehen. In diesen Spielräumen gab es alle möglichen Spiele, die die Kinder kostenlos spielten -Spiele, wo es auf Geschicklichkeit ankam, und Glücksspiele, für die man anderswo fünf bis fünfundzwanzig Cents pro Spiel bezahlte. Von einem bestimmten Alter ab durften die Kinder die Spielräume nicht mehr betreten und gingen dann in andere
    Hallen, um dort gegen Bezahlung zu spielen. O ja, Fennelli war ein großes Tier; er schickte sogar seine Kunden zur Schule.
    »Nee«, sagte ich. »Ich arbeite drüben bei Jimmy Keough.«
    Fennelli winkte einen Kellner herbei. Ich bestellte ein Roastbeef-Sandwich und ein Glas Bier.
    »Du bist zu jung, um Bier zu trinken«, sagte Fennelli. Er verwandelte die Bestellung in Limonade.
    Ich aß rasch und war in ein paar Minuten fertig. Dann stand ich auf. »Vielen Dank, Mr. Fennelli.«
    Er lächelte mir zu. »Schon gut, Junge. Ich habe auch mal Schuhe geputzt, genau wie du.« Er langte in seine Tasche und brachte einige zusammengefaltete Banknoten zum Vorschein.
    »Hier«, sagte er, »nimm das und hau ab.«
    »Ja, Sir«, sagte ich, und als ich sah, daß es fünf Scheine waren, setzte ich hinzu: »Nochmals vielen Dank.«
    Draußen an der Ecke stand Ray Callahan mit seinem Schuhputzkasten. Ich ging auf ihn zu. Ray war ein netter Junge. Sein Alter war ein Säufer, und sie lebten von der Wohlfahrt. Ray

Weitere Kostenlose Bücher