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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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auf den Weg zu den Arbeitsvermittlungen an der Sixth Avenue. An jeder Ecke sah ich einen Mann mit hochgeschlagenem Mantelkragen und tief ins Gesicht gezogener Mütze, der sich über einem kleinen, in einem Blechkanister brennenden Holzfeuer die Hände wärmte und vor sich eine Kiste Äpfel stehen hatte mit dem Schild: »Kauf einen Apfel von
    einem Veteranen.«
    In der nächsten Nacht schlief ich in einem Hausflur, und als ich am Morgen aufwachte, hatte es aufgehört zu schneien. Überall waren Männer und Frauen dabei, den Schnee von der Straße in die Gosse zu schieben und zu schaufeln.
    Ich blieb vor einem Zeitungsstand stehen und las die Schlagzeilen. »Man erwartet 30 000 Mann - Einsatz gegen den Schnee.« Das gab mir eine Idee.
    Nachdem ich in einem Restaurant für fünf Cents gefrühstückt hatte, ging ich zu einem Büro des Straßenreinigungsamtes an der 8. Straße, um mir Arbeit als Schneeschaufler geben zu lassen. Aber die Schlange der Arbeitslosen, die hier anstanden, war einen ganzen Häuserblock lang und wurde ständig länger. Ich zündete mir eine Zigarette an und ging zur Hochbahn auf der Third Avenue. Meine letzten fünf Cents gab ich für eine Fahrt in die obere Stadt aus.
    An der 125th Street stieg ich aus. Bei einem Büro auf der West 126th Street bekam ich Arbeit und wurde mit einer Kolonne losgeschickt. Der Mann, der die Kolonne von fünfzehn Mann unter sich hatte, war ein wohlgenährter italienischer Straßenreiniger. Wir alle betrachteten ihn mit neidischen Blicken und dachten, wie glücklich er sein müsse, daß er eine gutbezahlte, ständige Arbeit in städtischen Diensten hatte.
    »Also, Leute«, sagte er, »ihr kommt jetzt mit.«
    Eine große Schneeschaufel auf der Schulter, folgte ich den anderen. An der Ecke der 135th Street und der Amsterdam Avenue machten wir halt.
    Große Schneepflüge schoben den Schnee zu gewaltigen Haufen zusammen. Eine Gruppe von Männern schaufelte den Schnee in einen Straßenschacht. Andere warfen den Schnee auf einen Lastwagen.
    Der Italiener, der unsere Gruppe beaufsichtigte, führte uns an den Schacht.
    Meine Aufgabe war es, den Schnee bis zum Schacht zu schieben, wo er dann von anderen hinuntergeschaufelt wurde. Sobald unser Aufseher sich überzeugt hatte, daß wir zu seiner Zufriedenheit arbeiteten, gesellte er sich zu den anderen Aufsehern, die sich an einem großen Feuer den Hintern wärmten und von dort ihren Kolonnen Anweisungen zuriefen.
    Einer der beiden Männer, die direkt neben mir arbeiteten, war ein Ire mit einem Teiggesicht und dünnen Lippen, der andere war ein gedrungener, kräftig gebauter Neger. Die meisten Männer trugen Lumberjacks, Pullover oder Jacken und Handschuhe. Ich spürte die Kälte nicht sehr, aber meine Hände wurden langsam steif, und bald waren meine Schuhe völlig durchnäßt. Als meine Finger so kalt waren, daß sie schmerzten, legte ich meine Schaufel nieder und ging zum Feuer, wo die Aufseher standen. Sie verstummten, als ich mich näherte, und mein Aufseher, der eine italienische Zigarre rauchte, nahm mich scharf aufs Korn.
    »Was ist denn los, Junge?« fragte er. »Bist du etwa ein müdes Bürschchen?«
    »Meine Finger sind halb erfroren«, sagte ich und zeigte ihm meine Hände.
    Ich hielt meine Hände über das Feuer. Der Aufseher holte aus seiner Tasche ein Paar alte Arbeitshandschuhe und gab sie mir.
    »Vielen Dank«, sagte ich und zog sie an.
    Es waren mehrere Löcher darin, aber sie waren wenigstens warm.
    Etwa eine Stunde später sagte der Ire zu mir: »Noch ein paar Minuten, dann ist Mittagspause.« Neiderfüllt blickte er zu den Männern, die um das Feuer standen, und setzte hinzu: »Paß mal auf, wie diese Schlappschwänze verduften, wenn der Oberbonze erscheint.«
    Und so war's. Ein paar Minuten später hielt ein kleines Auto, und ein Mann stieg aus, der so etwas wie ein Boss zu sein
    schien. Sobald er die Nase zum Wagen hinaussteckte, rasten alle Aufseher zu ihren Gruppen und erteilten eifrig Befehle und Anweisungen.
    Dann wurde zur Mittagspause gepfiffen.
    Einige Männer zogen Butterbrote aus der Rocktasche und verzogen sich damit in Hausflure, um sie dort zu verzehren. Andere eilten in umliegende Restaurants oder Imbißstuben.
    Es war etwa zwei Uhr. Ich ging ein ganzes Stück am Häuserblock entlang, ehe ich einen leeren Flur fand, wo ich vor der Kälte geschützt war.
    Ich ging bis hinten zur Treppe und setzte mich auf eine Stufe. Ich nahm eine Zigarette aus der Tasche und zündete sie an. Sobald ich mich

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