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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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an. »Fünf Dollar für jeden Anzug - fünfzig Cent für jedes Hemd. Mehr kann ich Ihnen nicht geben.«
    »Heiliger Strohsack! Ich habe zwanzig Dollar für jeden Anzug bezahlt, und Sie bieten mir fünf.«
    »Die Zeiten sind schlecht«, sagte er mit einer ausdrucksvollen Geste, »und Anzüge sind Ladenhüter.«
    Ich begann die Sachen wieder in den Koffer zu stopfen.
    »Moment«, sagte er. »Wollen Sie die Sachen verkaufen oder verpfänden?«
    »Ich    will sie verkaufen«, sagte ich und    packte    weiter ein.
    »Auch    den Koffer. Ich habe ja gesagt,    daß ich die    Stadt
    verlassen will.«
    »In diesem Falle biete ich Ihnen sieben fünfzig für die Anzüge und zwei fünfzig für den Koffer.«
    Wir    einigten uns auf dreißig Dollar, ein    Paar    blaue
    Drillichhosen und ein Arbeitshemd. Im Hinterzimmer zog ich mich um. Ich gab ihm auch den Anzug, den ich anhatte. Dann ging ich in das nächste Restaurant und leistete mir eine gute
    Mahlzeit. Nach dem Essen kaufte ich mir eine Packung Zigaretten und zündete mir eine an. Als ich in mein Logierhaus zurückkehrte, fühlte ich mich wohler. Ich ging nach oben, legte mich hin und schlief.
    Zeitig am nächsten Morgen war ich am Güterbahnhof. Ich war auf dem Weg nach Hause, auf dem Weg nach New York.
    Die Fahrt war gar nicht so schlimm. Es gab noch eine ganze Reihe anderer Schwarzfahrer, die aus dem einen oder anderen Grunde auf dem Zuggestänge reisten. Einige fuhren ins Blaue hinein - Menschen ohne Halt, die sich einfach treiben ließen. Andere hatten ein bestimmtes Ziel: Entweder wollten sie nach Hause oder irgendwohin, wo Aussicht auf Arbeit bestand.
    Wie überall, waren auch hier manche hilfreich und nett, andere ekelhaft und gemein. Aber im großen und ganzen kam ich mit allen gut aus. Ich kümmerte mich um meine eigenen Angelegenheiten, blieb nie zu lange auf demselben Zug, sondern sprang hin und wieder bei einer Stadt ab, um einen Tag und eine Nacht in einem billigen Zimmer zu verbringen und ein paar anständige Mahlzeiten zu essen, und setzte dann meine Reise fort.
    Ich hatte nicht mehr viel Geld in der Tasche, als ich in Hoboken, gegenüber von New York auf der anderen Seite des Flusses, von den Gleisen taumelte. Aber das machte mir nichts. Ich wußte, daß ich mir mein Brot verdienen konnte, sobald ich drüben war.
    Vom Güterbahnhof bis zur Fähre waren es vier Häuserblocks, und als ich sie erreichte, hatte sich der Regen in dichten Schnee verwandelt.
    Es war spät am Abend, und die Massen kehrten von der Arbeit heim. Die Fähre beförderte meistens Lastwagen, die nach New York zurückkehrten. Ich sprang auf einen auf und kletterte hinein. Sobald der Lastwagen an Bord der Fähre war, sprang ich wieder runter und ging in den geschlossenen Passagierraum. Dort setzte ich mich hin und versuchte, durch das Fenster das vor mir liegende New York zu erkennen. Aber es war nicht möglich. Der Schnee wirbelte in dicken Flocken herab - eine
    weiße Decke zwischen Wasser und Himmel.
    Als sich die Fähre dem Pier näherte und die hohen Gebäude und Lichter New Yorks plötzlich vor mir auftauchten, hatte ich das Gefühl, als käme ich nach Hause - wirklich nach Hause. Dies war eine Stadt, und dies waren Menschen, die ich verstehen konnte.
    Ich hörte das Rasseln der Ketten, als das Gitter geöffnet wurde, und ging an Land. Die Lastwagen begannen von der Fähre zu rollen, und ich mischte mich unter die Menge, die über den Pier strömte. Es war kalt, aber ich war zu aufgeregt, um darauf zu achten. Die blauen Drillichhosen und das schwere Arbeitshemd schützten nicht gegen solches Wetter, aber im Augenblick war mir alles gleich.
    Die Fähre hielt an der 42. Straße. Ich ging durch die Stadt zum Times Square, stellte mich an die Ecke wie jeder andere Provinzler, der zum erstenmal in New York ist, und glotzte zu der großen Leuchtschrift auf dem Times-Gebäude hinauf.
    >Sieben Uhr abends. 10. Februar 1932.<
    Plötzlich hatte ich Hunger. Ich ging in eine Imbißstube und bestellte mir eine anständige Mahlzeit. Erst als ich bezahlte, merkte ich, daß mir nur noch etwa vierzig Cents blieben. Aber ich machte mir darüber keine Gedanken. Ich schlief in dieser Nacht für fünfundzwanzig Cents in einem billigen Hotel an der Bowery. So hatte ich noch fünfzehn Cents für den nächsten Tag. Lächelnd schlief ich ein. Dies war meine Stadt, und hier brauchte ich kein Geld, um klarzukommen.
    Es schneite immer noch, als ich aufwachte. Ich machte mich gleich

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