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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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behandeln, der Ihnen reinen Wein einschenkt und versucht, den Schaden wieder gutzumachen! Wenn ich Sie betrügen wollte, hätte ich ja bloß meinen Mund zu halten brauchen, bis Sie selbst dahintergekommen wären. Aber nein! Ich muß ausgerechnet der Sündenbock für alle üblen Hochstapler sein, die für Sie zu gerieben sind.«
    Er versuchte mich zu unterbrechen, aber ich brüllte ihn nieder.
    »Ich nehme mein Zeug und mache, daß ich hier rauskomme.
    Versuchen Sie nur, mich daran zu hindern! Wenn Sie das tun, werde ich in der ganzen Stadt erzählen, wie Sie zulassen, daß Ihre Telegraphistinnen den Gästen das Fell über die Ohren ziehen. Dann können Sie ja sehen, wie Ihnen das gefällt!« Damit wollte ich das Zimmer verlassen. Aber an der Tür hielt er mich an. »Also gut, Mr. Kane«, sagte er, »regen Sie sich nicht auf. Sie können gehen und Ihre Sachen mitnehmen. Wir wollen die ganze Geschichte vergessen.«
    »Und ob ich gehe«, sagte ich, immer noch wütend. »Sie können die Geschichte vielleicht vergessen, aber ich nicht!«
    Ich knallte die Tür hinter mir zu, ging auf mein Zimmer und packte meine Siebensachen. Dann fuhr ich mit dem Fahrstuhl nach unten und verließ das Hotel.
    An einem Zeitungsstand an der Ecke blieb ich stehen und kaufte eine Zeitung. »Kennen Sie ein gutes, preiswertes Logierhaus?« fragte ich den Verkäufer.
    »Aber, gewiß«, sagte er. Er schrieb eine Adresse auf ein Stück Papier. Da das Haus nur ein paar Blocks entfernt lag, ging ich zu Fuß dorthin. Ich nahm mir ein Zimmer für drei Dollar fünfzig die Woche und mußte zwei Wochen im voraus bezahlen. Danach blieben mir noch drei Dollar und etwa achtzig Cent Kleingeld. Ich packte meine Sachen aus und verstaute sie. Verglichen mit meinem Hotelzimmer war dies eine regelrechte Bude, aber ich war wenigstens für die nächsten zwei Wochen untergebracht.
    Am nächsten Tag ging ich auf Arbeitsuche. Ich hatte Glück. Ich fand eine Beschäftigung, die mir vierzehn Dollar die Woche einbrachte. Ich mußte Lebensmittel und Fleisch für ein großes Selbstbedienungsgeschäft austragen. Ich kam müde nach Haus und legte mich aufs Bett. Es war anstrengend, den ganzen Tag mit Lebensmittelkörben herumzurennen, zumal ich mich in den letzten Monaten nicht gerade übernommen hatte. Nach einer
    Weile stand ich wieder auf und setzte mich an den Tisch, um auszurechnen, wie weit ich mit dem Geld reichen würde. Ich nahm Bleistift und Papier und schrieb ein paar Zahlen auf:
Miete
$
3
Essen
$
7
Gehalt
$
10
Überschuß
$
14
$
4
    Ich nahm an, daß ein Dollar pro Tag fürs Essen genügen würde. Mein Frühstück bestand nur aus Kaffee und einem Brötchen, mein Lunch aus Kaffee und einem Sandwich oder Kaffee und einem Teller Suppe. Abends würde ich ein Tellergericht in einer Imbißstube nehmen. Ich legte mich wieder aufs Bett und schlug mir die Sorgen aus dem Kopf. Es würde schon irgendwie gehen. Aber etwas hatte ich bei der Rechnung übersehen.
    Meine Arbeit begann gewöhnlich um sieben Uhr morgens. Als erstes hatte ich die frühen Bestellungen auszutragen. Die Angestellten hatten sie am Abend vorher fertig gepackt, und ich lud sie draußen auf die Handkarre und brachte sie in die Häuser. Diese Arbeit gefiel mir nicht besonders, aber wenn ich jede Woche meine vier Dollar zurücklegte, würde ich bald nach dem Osten zurückgehen können. Ich nahm an, daß ich dort meine Verwandten finden würde.
    Aber zwei Tage später platzten diese Pläne. Ich trug gerade eine Bestellung nach draußen zum Karren, als mir plötzlich übel und schwindlig wurde. Daran war wohl das kümmerliche Essen schuld. Der Gehsteig schien sich nach oben zu neigen. Ich versuchte mühsam, das Gleichgewicht zu behalten. Schließlich ließ ich die Bestellungen zu Boden fallen und lehnte mich an die Hauswand. Eier und Milchflaschen zerbrachen, und ich sah stumpfsinnig zu, wie Milch und Eier auf dem Gehsteig zu einem Brei zusammenflossen. Mir brach der Schweiß aus. Nur mit äußerster Anstrengung vermochte ich mich aufrechtzuhalten. Ich durfte nicht fallen. Aber Gebäude und Gehsteig schienen sich immer mehr in die Höhe zu heben.
    Mein Chef kam heraus und warf erst einen Blick auf den Gehsteig, dann auf mich, wie ich da an der Hauswand lehnte. Ich war kreideweiß, Schweißperlen waren mir in die Augen gelaufen, so daß ich kaum sehen konnte. Er machte keine Anstalten, mir zu helfen. Ich versuchte, etwas zu sagen, aber die Worte waren unverständlich.
    »Kommen Sie herein und lassen Sie sich

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