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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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ihnen?«
    »Ich sage, daß ich noch drei Abende in der Woche in einer Bandfabrik arbeite. Aber in Wirklichkeit bin ich schon vor einigen Wochen entlassen worden.«
    »Wie lange treibst du das schon?« fragte ich.
    »Kümmere dich um deinen eigenen Kram!« sagte sie schroff.
    »Gut, das werde ich tun.« Ich blickte zum Fenster hinaus, und ein Gefühl des Ekels stieg in mir hoch.
    Sie trat auch ans Fenster und stellte sich neben mich. »Hast du Geld?« fragte sie.
    »Nein«, log ich, ohne zu wissen, warum. Sie hielt mir ein Fünfundzwanzig-Cent-Stück hin. »Vielleicht brauchst du es morgen, wenn du in den Sonntagsgottesdienst gehst.«
    »Nein, danke«, sagte ich. »Danke.«
    Ihre Augen waren voll Tränen. Wir sahen uns stillschweigend an. Ich legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter.
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte ich. »Es wird schon alles gut werden.«
    Sie verschwand im Nebenzimmer. Als ich eine Weile später ebenfalls zu Bett gehen wollte, entdeckte ich, daß ihr Bett leer war. Ich warf einen Blick in den Nebenraum und sah, daß sie neben ihrer Mutter schlief. Ich zog mich aus und legte mich in ihr Bett.
    Am Dienstag fanden Tom und ich für einen Tag Arbeit: Wir mußten Kohlen von einem Lastwagen abladen. Jeder von uns erhielt drei Dollar. Aber das war alles, was sich uns in dieser Woche bot.
    Die Tage flogen dahin. Bald war es März, und das Wetter wurde etwas milder. Ich merkte, daß alles im Hause knapper wurde, und begann an meinen Aufbruch zu denken.
    Eines Nachmittags, als Elly und ich allein zu Hause waren, sagte ich: »Ich glaube, ich muß hier bald meine Zelte abbrechen.«
    Sie blickte mich überrascht an.
    »Ich kann ja nicht ewig hierbleiben«, fügte ich hinzu.
    Sie kam zu mir und nahm meine Hand. Ich legte die Arme um sie. Der Gedanke an jene Nacht und unser Zusammensein erregten mich. Sie spürte es sofort und führte mich ins Nebenzimmer. An der Art, wie sie sich mir hingab, an den leidenschaftlichen Bewegungen ihres dünnen Körpers konnte ich spüren, daß sie mich nicht fortlassen wollte. Es war keine Liebe, nicht einmal Leidenschaft. Es war Wärme und Freundlichkeit und Verstehen.
    Keuchend erhoben wir uns vom Bett. Ihre Hände umklammerten meine Hüften. Ich umschloß mit meinen Händen ihre Brüste mit den harten, prallen Warzen. Plötzlich schleuderte ich sie aufs Bett zurück und fiel über sie her.
    »Ich muß gehen, verstehst du, ich muß unbedingt gehen! Ich kann hier nicht bleiben und alles nehmen und nichts geben.« Und ich nahm sie rücksichtlos.
    Sie stöhnte, als ich ihr weh tat. Sie konnte kaum sprechen, ihr Atem kam in langen, bebenden Stößen »Du... mußt... gehen... wirklich... du... mußt... gehen...«
    Abends beim Essen erklärte ich den anderen, daß ich fortgehen würde. Sie baten mich zu bleiben. »Ich muß sehen, daß ich irgendwie Arbeit bekomme«, sagte ich, »und hier finde ich nichts. Morgen muß ich gehen.«
    Am nächsten Morgen verabschiedete ich mich mit Handschlag von Tom und Sam und mit einem Kuß von Mrs.
    Harris und Elly. Ich dankte ihnen für all ihre Freundlichkeit.
    Mrs. Harris sagte: »Halt dich wacker, Frankie. Vergiß uns nicht, wenn du Hilfe brauchst.«
    »Ich vergesse euch nicht«, sagte ich und ging. Irgendwie war ich überzeugt, daß für die Familie Harris bessere Tage kommen würden.
    Auf der Straße blickte ich mich unschlüssig um und wußte nicht recht, wohin ich gehen sollte. Meine paar Hemden trug ich in einer Papiertüte unter dem Arm. Schließlich marschierte ich auf die Eighth Avenue zu.
    Mrs. Harris' sanfte Stimme klang mir noch im Ohr: »Vergiß uns nicht, wenn du Hilfe brauchst.« Sie brauchten selbst soviel Hilfe. Aber sie hatten mir so vieles zu geben. Ich blieb einen Augenblick stehen. Mir saß ein dicker Kloß im Hals. »Du wirst sentimental«, sagte ich mir tadelnd. Dann lachte ich und ging weiter.
    Auf der Eighth Avenue erkundigte ich mich in jedem Geschäft, ob sie Hilfe brauchten. In einer Imbißstube an der Ecke der 72. Straße und der Columbus Avenue fand ich dann Beschäftigung für den Nachmittag als Geschirrwäscher. Nach vier Stunden wurde ich mit einem Dollar und einem freien Abendessen entlohnt. Ich steckte den Dollar in die Tasche, und als ich fertiggegessen hatte, ging ich zum Manager und fragte ihn, ob er jemanden für den nächsten Nachmittag brauche.
    Er war ein gedrungener, fetter kleiner Mann mit freundlichen Augen und einem wohlwollenden Lächeln. »Leider nicht«, sagte er, »es war nur für diesen

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