Die Moralisten
Mund und zündete sie an. »Eine der üblichen Razzien der Sittenpolizei«, antwortete er und lachte kurz auf. »Ich habe mit einem der Männer gesprochen. Es muß dort recht heiter zugegangen sein. Er sagte mir, als sie hinkamen, wären die Mädchen alle ...«
»Das meine ich nicht«, unterbrach ihn Mike. »Eines dieser Mädchen hat die Agentur Park Avenue Models erwähnt. Das ist die gleiche, mit der auch Florence Reese gearbeitet hat.«
»Ich glaube nicht, daß das viel zu bedeuten hat«, sagte Millersen aus einer Rauchwolke heraus. »Bestimmt ist vielen Mädchen diese Agentur bekannt.«
»Mag sein«, räumte Mike ein. »Aber warum sollte sie es dann später ableugnen? Das erscheint mir so seltsam. Und noch etwas anderes ist eigenartig: wie können sie es sich leisten, sich durch Vitos Anwaltsbüro vertreten zu lassen? Er arbeitet schließlich nicht umsonst. Die kleinen Huren kommen doch gar nicht an ihn heran.« »Nach dem Bericht zu urteilen, hat sich Gellard von ihm persönlich vertreten lassen«, entgegnete Millersen. »Wahrscheinlich hat er auch die Vertretung der Mädchen bezahlt. Das war eine Sache, die in seinem eigenen Interesse lag.«
Mike schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Die ganze Sache gefällt mir nicht.«
Frank Millersen lächelte ihn an. »Vergessen Sie es, Mike. Wenn Sie erst lange genug in diesem Amt sind, werden Sie auf so viele zufällige Übereinstimmungen stoßen, daß Sie sie nicht mehr weiter beachten werden.«
»Das kann ich nicht«, erwiderte Mike. »Immer wieder muß ich an dieses arme Ding im Krankenhaus denken. Das hatte sie sich nicht erträumt, als sie in die Stadt kam.«
Millersen nickte. »Gewiß, aber wenn eine anständig ist, kommt sie gar nicht erst in eine solche Lage. Ich habe mit ihrem Vater gesprochen, als er herkam, um die Leiche überführen zu lassen. Sie war schon immer ein wildes Mädchen.«
»Es gibt einen Unterschied zwischen wilden und schlechten Mädchen«, antwortete Mike. Er nahm den Bericht und überflog ihn noch einmal. »Mir wäre es lieber, wenn ich es vergessen könnte.« »Was haben Sie jetzt vor?« fragte Millersen.
Mike blickte von dem Bericht auf. Die Augen des Kriminalbeamten hatten einen seltsamen Ausdruck. Mike ließ sich von einer bei ihm ungewohnten Vorsicht leiten. »Ich weiß es nicht. Zunächst einmal werde ich die Sache überschlafen. Wenn ich noch Fragen habe, rufe ich Sie morgen früh an.«
Lächelnd erhob sich Millersen. »Das ist das beste. Wenn Sie sich entschließen sollten, in dieser Sache etwas zu unternehmen, stehe ich Ihnen morgen zur Verfügung.«
»Danke, Frank.« Mike verließ das Büro. Als er den Gang entlang zum Fahrstuhl ging, sah er, daß er mit seinem Bericht versehentlich noch ein anderes Schriftstück mitgenommen hatte.
Er ging durch das Vorzimmer zurück und öffnete Millersens Tür. »Frank ...«, rief er, bevor er bemerkte, daß Millersen telefonierte. »Warte einen Augenblick, Mary«, sagte Millersen und bedeckte die Sprechmuschel rasch mit seiner Hand.
Mike sah ihn verwundert an. Millersens für gewöhnlich frisches Gesicht schien plötzlich zu erbleichen. »Entschuldigen Sie, Frank«, erklärte er, »ich wußte nicht, daß Sie telefonieren. Ich habe das versehentlich mitgenommen.« Er legte das Schriftstück auf den Tisch zurück.
Ein gezwungenes Lächeln trat in Millersens Gesicht. »Danke sehr, Mike. Ich spreche gerade mit meiner Frau. Vielen Dank.«
Mike nickte, verließ das Büro und schloß leise die Tür hinter sich. Erst als er sich von der Tür entfernte, hörte er wieder Franks gedämpfte Stimme am Telefon. Er kehrte in sein eigenes Büro zurück, ließ sich schwerfällig auf seinem Stuhl nieder und starrte den Bericht an.
»Was ist?« fragte Joel.
Mike furchte die Stirn. »Millersen ist der Ansicht, es stecke weiter nichts dahinter.«
»Millersen sollte es eigentlich wissen«, meinte Joel. »Er ist Fachmann auf diesem Gebiet.«
Wieder las Mike den Bericht. Nach einer Weile wandte er sich Joel zu. »Kennen Sie zufällig den Namen von Millersens Frau?« Joel grinste. »Natürlich. Mrs. Millersen.«
»Nicht sehr komisch«, entgegnete Mike. »Und den Vornamen?« »Wieso?«
»Ich bin halt neugierig«, antwortete Mike. »Er unterhielt sich mit ihr am Telefon, als ich zu ihm hineinging.«
»Elizabeth«, antwortete Joel. »Ich habe einmal mit ihnen ein paar Whiskys getrunken. Er nennt sie Betty.«
Mike zündete sich eine Zigarette an, drehte seinen Stuhl herum und starrte zum Fenster
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