Die Moralisten
sie.
»Ehrlich«, antwortete er, und seine Augen waren ernst. »Ich sah dich mit Francie die Straße entlangkommen und konnte nicht mehr wegsehen. Du hast mir meine Partie verdorben. Mike hat mich fertiggemacht.«
»Mike?« fragte sie. »War das der Blonde, der nicht mit uns kommen wollte?«
Er nickte. »Er hat nicht einmal vom Billardtisch aufgeschaut, als ich ihn auf dich aufmerksam machte.«
Sie war leicht gekränkt. »Was hast du zu ihm gesagt?«
Er lächelte. »>Mama<, habe ich gesagt, >davon mußt du mir ein Exemplar kaufen!<«
Sie stieß ihn belustigt in die Seite. »Du bist ganz schön frech!« »Ein Glück, daß Jimmy dabei war. Sonst hätte ich dich vielleicht nie kennengelernt«, sagte er.
»Jaja«, antwortete sie spöttisch. »Dein anderer Freund wäre keine große Hilfe gewesen.«
»Mike ist ein netter Kerl«, widersprach er. »Er ist nur zu ernst. Gibt sich niemals mit Mädchen ab. Arbeitet die ganze Zeit. Er will Anwalt werden.« »Ist er so alt wie du?« fragte sie.
Er schüttelte den Kopf. »Ein Jahr jünger. Aber wir sind im College in der gleichen Klasse.«
Ihre Eitelkeit war verletzt. Es war ihr Stolz, daß alle Jungens sie mochten. »Bestimmt ist er nicht so nett wie du.«
»Danke«, antwortete er kurz. »Du bist das erste Mädchen, das so denkt. Im allgemeinen bin ich ein hoffnungsloser Fall, sobald die Mädchen ihn sehen.«
»Er muß entsetzlich eingebildet sein«, meinte sie abweisend. »Und ich kann eingebildete Leute nicht leiden.«
»Er ist wirklich sehr nett«, erklärte Ross. »Ich glaube, er weiß nicht einmal, daß die Mädchen ihn mögen.«
Sie erschauerte leicht unter der Kühle der Dämmerung. »Mir ist er ohnehin gleichgültig«, sagte sie schnell. Sie blickte den Strand entlang. »Wo ist Francie?«
»Die beiden sind schon vor einer Stunde ins Haus gegangen«, antwortete er. »Francie sagte, es sei ihr zu kühl hier draußen.« Sie stand auf und streckte sich. »Ich glaube, wir sollten lieber gehen. Ich fange auch schon an zu frieren.«
Er blickte zu ihr auf und fragte sich, wie alt sie wohl sein mochte. Etwa siebzehn, schätzte er. Er hatte allerdings noch nie ein Mädchen kennengelernt, das in diesem Alter schon so sehr Frau war. Ihm gefielen ihre helle Haut und die hoch angesetzten Backenknochen, ihr voller, sinnlicher und fast hochmütiger Mund und ihr festes Kinn. Wieder streckte sie sich und hielt dabei die Arme hoch über dem Kopf. Er sah den blonden Flaum in ihren Achselhöhlen und verfolgte die Linie der Arme bis hinab zu den vollen jungen Brüsten und zu ihrer schmalen, festen Taille, die sich zu wohlgerundeten Hüften und kräftigen Schenkeln verbreiterte. Ihre Beine waren lang und gerade und wirkten dennoch sehr weiblich.
Sie war sich seiner abschätzenden Blicke bewußt und lächelte ihn von oben her an. Sie mochte es gern, wenn er sie so ansah. Ohne es eigentlich zu wollen, fragte er: »Wie alt bist du, Marja?« »Rat mal«, antwortete sie.
»Siebzehn«, meinte er.
Sie war stolz, daß er sie für älter hielt. »Fast«, sagte sie mit einem genau berechneten Zögern.
Er schlang seine Arme um ihre Beine und brachte sie zum Taumeln. Sie fiel neben ihn, noch immer lachend. Finster sah er sie an. »Bereit zu einem Kuß, meine blonde, junge Schönheit?« fragte er und bemühte sich, seine Stimme wie die eines Unholds klingen zu lassen. »Immer bereit«, sagte sie leise.
Er preßte seinen Mund auf ihre Lippen. Er war ein wenig überrascht, als er merkte, wie bereit sie war. Aber dieses Mal würde er es richtig machen, dieses Mal würde sie ihn nicht überrumpeln. Er hielt sie fest an sich gepreßt, beherrschte sich aber noch. Ihre Finger streichelten leicht über seine Wangen. Die Flamme in ihm loderte hoch auf, und er wußte, daß er verloren hatte. Verzweifelt, fast zornig, löste er seinen Mund von ihren Lippen.
»Ich glaube, wir gehen lieber hinein«, sagte er niedergeschlagen. »Gut«, sagte sie ruhig. Sie stand auf und wartete auf ihn.
Er wich ihrem Blick aus und begann die Decke zusammenzulegen. Nachdem er sie gefaltet hatte, nahm er sie auf den Arm, stand auf und hielt sie vor sich. Ohne Marja anzusehen, ging er zum Haus. Sie schloß sich ihm an.
Sie betraten das Haus durch den Strandeingang. Es war der hintere Teil des Kellers, den man zu einer Art Badehaus umgebaut hatte. Sie ging in den Raum hinein und blieb dann regungslos stehen. Sie hob einen Finger an die Lippen, um Ross ein Zeichen zu machen, leise zu sein.
»Sieh mal«, flüsterte sie
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