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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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einen Augenblick da. Er schwankte. »Marja!« stieß er voller Entsetzen hervor. »Mein Gott! Marja ...« Dann warf ihn der zweite Ansturm des Schmerzes zu Boden.
    Mit verschwommenem Blick sah er, wie sie ihn unbarmherzig beobachtete, während er zusammengekrümmt zu ihren Füßen lag. Er wand sich, als ihn die Wellen des Schmerzes durchliefen. Er spürte mehr, als er es sah, wie sie über ihn hinwegstieg und ihre Kleider vom Stuhl nahm. Ein Luftzug strich über seine Wange, als sie die Tür öffnete.
    Sie blieb in der Tür stehen und sah zu ihm zurück. Ihre Stimme war kalt. »Wenn du das wolltest, warum hast du dir dann nicht Francie geangelt?«
    Der Schmerz ließ nun nach. Ross konnte wieder atmen, wagte aber nicht, sich zu rühren, aus Angst, der Schmerz könnte wiederkommen. Er zwang sich zum Sprechen. »Weil ich dich haben wollte, Marja«, murmelte er mit gefühllosen Lippen.
    Ihre Stimme klang jetzt nicht mehr ganz so kalt. »Es gibt Dinge, die ich tue, und andere, die ich nicht tue«, sagte sie mit geduldiger Stimme, als wollte sie einem Kind etwas erklären. »Für was für ein Mädchen hältst du mich eigentlich, Ross?«
    Die Tür schloß sich hinter ihr. Er blieb allein und drückte seine brennende Wange gegen den kühlen Boden. Er schloß die Au-gen und sah sie wieder vor sich, wie sie unter der Dusche hervortrat. Der Schmerz kehrte zurück. »Marja«, flüsterte Ross. »Was für ein Mädchen bist du?«
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    Mühsam öffnete er die Augen. Im Zimmer war es dunkel, und die Nacht draußen vor den Fenstern war still. Er drehte sich auf die andere Seite, und das weiche Bett unter ihm gab nach. Er fragte sich verwundert, wie er hierhergekommen war. Ein dumpfer Schmerz durchzog ihn, und er begann sich zu erinnern. Er war aus dem Badezimmer hinausgeschwankt und ins Bett getaumelt. Er entsann sich noch, wie er in diese wohltuende weiche Tiefe gesunken war, aber alles andere war ihm rätselhaft. »Fühlst du dich besser, Ross?« Er wandte seinen Kopf Marjas Stimme zu. In der Ecke des Zimmers glühte eine Zigarette auf. Er richtete sich auf. Jetzt fiel ihm alles wieder ein. Sie war ins Zimmer gekommen und hatte ihn zugedeckt, während er im Halbschlaf dalag. Er hatte wie in einem Fieberanfall gefröstelt.
    »Ja«, antwortete er mürrisch.
    Die Zigarette beschrieb einen Bogen und glühte kurz auf. »Willst du einen Zug?« fragte sie.
    »Bitte.« Er hörte ihre Bewegungen in der Dunkelheit und sah dann schattenhaft ihre Gestalt am Fenster vorbeistreichen. Er fühlte, wie das Bett unter ihrem Gewicht nachgab. Die Zigarette war vor seinem Gesicht. Dankbar nahm er sie entgegen und steckte sie zwischen die Lippen. Der scharfe Rauch drang tief in seine Lungen ein. Er begann sich wohler zu fühlen.
    »Wie spät ist es?« fragte er.
    »Etwa neun Uhr«, antwortete sie.
    Wieder zog er an der Zigarette und blies den Rauch langsam durch die Nase. Es schien ihm zu helfen, wieder wach zu werden. »Wo sind die anderen?« fragte er und versuchte vergeblich, ihr Gesicht im Aufglühen der Zigarette zu erkennen. »Noch immer unten?«
    »Nein«, antwortete sie kurz angebunden. »Francie hatte Angst, als sie nach oben kam und dich im Bett sah. Sie wollte nach Hause. Jimmy hat sie begleitet.«
    Verbittert dachte er: Schöne Freunde, die davonlaufen, wenn man sie braucht! Aber etwas anderes hätte er von Jimmy nicht erwarten können. Mike hätte das niemals getan. Ein Gedanke machte ihm zu schaffen. »Hast du ihnen erzählt, was passiert ist?«
    »Nein«, antwortete sie. »Warum sollte ich? Das war nur zwischen uns.«
    »Was haben sie denn geglaubt?« fragte er.
    »Ich habe ihnen gesagt, du bist krank«, erwiderte sie. Das Bett erzitterte leicht, als ob sie lachte. »Jedenfalls hast du so ausgesehen. Dich hat es ganz schön geschüttelt.«
    Groll stieg in ihm auf. Wenn die anderen geglaubt hatten, er sei wirklich krank, war ihr Verhalten nur noch gemeiner. Vielleicht hätte er sie wirklich gebraucht. Wieder versuchte er, ihr Gesicht zu erkennen, aber es war zu dunkel. Er beugte sich vor und schaltete das Licht neben seinem Bett ein. Einen Augenblick schmerzten ihm die Augen. Er blinzelte; dann wandte er sich ihr zu. »Warum bist du nicht mit ihnen gegangen?« fragte er verbittert. Sie antwortete nicht. »Du hast doch gewußt, was los war. Du hättest nicht zu bleiben brauchen«, fügte er hinzu. »Ich wäre auch allein zurechtgekommen.« Ihre Augen leuchteten im Licht der Lampe. Sie hatte ihr Haar, das jetzt fast weiß

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