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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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unbedingt noch etwas trinken. Er griff zur Flasche und hielt sie ihr hin. »Was trinken?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    Er nahm einen Schluck aus der Flasche. Der Whisky brannte ihm angenehm in der Kehle. Er war warm und beruhigend. Er ließ die Flasche sinken und sah sie an. »Das habe ich gebraucht«, sagte er. »Bist du sicher, daß du keinen willst?«
    »Nein, danke«, erwiderte sie abweisend. Sie holte eine Zigarette heraus und zündete sie an. Der Rauch kräuselte sich träge.
    Joe war vor ihr stehengeblieben. »Komm, trink mit«, forderte er sie auf. »Ich bring dich für unsere Nummer in Stimmung.«
    Ihre Stimme war eisig. »Was für eine Nummer?«
    Evelyn taumelte von der Couch hoch. »Wir haben deinem Freund von unserer Nummer erzählt. Joe meinte, es wär’ doch lustig, sie ihm mal vorzuführen.«
    Sie drehte sich zu Gordon um. »Sie haben dir alles erzählt.« Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.
    Er nickte.
    Ihre Stimme war ruhig. »Und du hast ihnen zugehört, ohne mir die Gelegenheit zu geben, es dir selbst zu sagen?« Das war mehr eine Frage als eine Feststellung.
    Er hielt ihr die Fotos hin. »Die Bilder haben mir alles gesagt Da habe ich nicht mehr zuzuhören brauchen.«
    Sie betrachtete flüchtig die Bilder und gab sie ihm dann schweigend zurück. Er warf sie auf den Tisch und wandte sich von ihr ab. Er konnte ihren Blick nicht ertragen. »Du härtest es mir sagen sollen«, murmelte er.
    »Du hast mich nicht zu Wort kommen lassen. Jedesmal wenn ich etwas sagen wollte, hast du geantwortet, es sei dir gleichgültig, was ich gewesen bin. Du hast gesagt, du wüßtest genug von mir.« Er antwortete ihr nicht.
    Sie wandte sich zu Joe um, und ihre Stimme war schneidend. »Und unser Joe bleibt sich immer gleich. Der macht alles, wenn ein Dollar für ihn herausspringt. Ich hoffe, daß du dich dieses Mal gesund gestoßen hast!«
    »Ach, sei doch nicht gleich so sauer«, rief er und kam auf sie zu. »Die dicke Luft ist vorbei. Jetzt können wir unsere alte Nummer wieder auflegen.« Er versuchte sie am Arm zu packen.
    Ihre Hand bewegte sich blitzschnell. Er spürte einen heftigen Schlag. Rot und weiß zeichnete sich der Abdruck ihrer flachen Hand auf seinem Gesicht ab.
    »Du Luder!« stieß er hervor und trat zornig einen Schritt auf sie zu. »Dir werde ich’s beibringen!«
    Ein spöttisches Lächeln erschien um ihren Mund. »Bring’s mir doch bei«, sagte sie ruhig.
    Er blieb stehen, die Augen auf ihre Hand gerichtet. Die Klinge blitzte in ihrer Hand auf. Rasch trat er einen Schritt zurück. Gordon starrte sie an. »Mary!« schrie er.
    Sie drehte sich zu ihm herum. In ihrer Stimme flackerten Schmerz und Zorn auf. »Du bist genauso schlimm wie die da. Auf mich hast du nicht hören wollen, aber jedem anderen, der dir eine Geschichte erzählt, hörst du zu. Haben sie dir auch erzählt, wie sie mich in der Wohnung ohne Kleider und Geld haben sitzenlassen? Wahrscheinlich bist du auch da auf deine Kosten gekommen!«
    Er antwortete ihr nicht, aber seine Augen blickten in die ihren. »Sie haben dir aber noch nicht alles erzählt«, fuhr sie zornig fort. »Nachdem sie verduftet waren, bin ich auf den Strich gegangen. Es blieb mir ja gar nichts anderes übrig. Ich mußte schließlich meine Miete bezahlen und essen. Ich habe nicht schlecht verdient. Vierzig Dollar am Tag. Das war meine Arbeit an dem Tag, an dem du mich in dem Hotel wieder getroffen hast.«
    »Nein, Mary!« stöhnte er.
    »Es genügte nicht, daß ich dir aus dem Weg gegangen bin«, rief sie. »Du mußtest mir nachlaufen. Du mußtest eine große Sache daraus machen.« Plötzlich brach ihre Stimme. Sie war kaum noch zu hören. »Ich war der Dumme, nicht du. Ich habe geglaubt, daß das Leben endlich auch einmal mir etwas zu bieten hat. Ich habe mich geirrt.« Sie wandte sich um und ging zur Tür.
    Gordon packte ihren Arm. Er spürte in sich ein eigenartiges Schuldgefühl. »Mary!«
    Sie sah in sein Gesicht, und in ihren Augen schimmerte eine schwache Hoffnung. »Willst du mich zurückhalten, Gordon?« Er antwortete nicht. Er sah das Licht in ihren Augen plötzlich erlöschen. Sie machte sich von ihm frei. Die Tür schloß sich hinter ihr. Er stand da, starrte ihr einen Augenblick nach und wandte sich dann den anderen zu.
    Joe zwang sich zu einem Lachen. »Sie sind ohne sie besser dran, alter Freund.«
    Gordon antwortete nicht sogleich. Aber als er wieder sprach, erkannte er seine eigene Stimme nicht. Sie war schroff und von Haß erfüllt. »Raus

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