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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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! « brüllte er. »Raus mit euch beiden, bevor ich euch umbringe!«
    Wie erblindet schwankte sie den Weg entlang. Tränen füllten ihre Augen und rannen über ihre Wangen herab.
    Eine sanfte Stimme sprach neben ihr. »Soll ich Ihnen ein Taxi besorgen, Miß Mary?«
    Sie blickte auf. Neben ihr stand der alte Neger, und in seinen Augen lag tiefes Verstehen. Sie schüttelte den Kopf. »Nein, danke, Tom.« Ihre Stimme klang brüchig und rauh. »Ich - ich glaube, ich gehe lieber zu Fuß.«
    »Wenn Sie es mir erlauben, begleite ich Sie ein Stück«, sagte er mit sanfter, höflicher Stimme. »Abends ist es hier draußen sehr einsam.« »Mir kann nichts mehr zustoßen«, erwiderte sie. »Ich habe keine Angst.«
    Er nickte bedächtig. »Das glaube ich Ihnen, Miß Mary. Sie sind die tapferste Frau, die ich seit langem gesehen habe.«
    Sie starrte ihn schweigend an. Plötzlich hatte sie begriffen. »Sie haben es die ganze Zeit über gewußt?« fragte sie verwundert.
    Er nickte.
    »Und trotzdem haben Sie ihm nie etwas gesagt. Warum nicht?«
    Seine Augen blickten tief in die ihren. »Das habe ich eigentlich schon gesagt. Sie sind eine richtige Frau. Mr. Gordon ist weiter nichts als ein Junge. Ich hatte gehofft, Sie würden sein Glück sein.« Sie seufzte tief auf. »Danke, Tom.« Dann entfernte sie sich langsam. Er eilte hinter ihr her. »Ich habe etwas Geld, Miß Mary«, rief er hastig, »falls Sie knapp dran sind.«
    Instinktiv ergriff sie die Hand des Alten. »Ich komme schon durch, Tom.«
    Der alte Mann senkte die Augen. »Ich bin traurig, mächtig traurig, Miß Mary.«
    Sie sah ihn einen Augenblick an, und ein freundlicher Ausdruck trat in ihr Gesicht. »Ich habe es mir anders überlegt, Tom. Sie könnten doch etwas für mich tun.«
    Er sah sie rasch an. »Ja, Miß Mary?«
    »Ich will doch nach Hause fahren. Besorgen Sie mir ein Taxi«, bat sie.
    »Ja, Miß Mary.«
    Sie blickte ihm nach, wie er die Straße entlang zur Hauptstraße eilte, wo Taxis vorbeikamen. Dann holte sie eine Zigarette aus ihrer Tasche und zündete sie an. Sie nahm einen tiefen Zug und sah zum Himmel auf.
    Die Sterne leuchteten hell, und der Mond hing tief am Himmel. Schwach drang das Brausen der Brandung zu ihr, und vom Ozean her wehte eine warme, sanfte Brise auf das Land zu. Plötzlich warf sie die Zigarette in den Rinnstein. Sie hatte einen Entschluß gefaßt. Sie hatte genug von Florida. Jetzt wollte sie nach New York zurück. Hier im Süden waren die Sterne zu hell.
    13
    Mike sah von dem Buch auf, das vor ihm lag, und rieb sich ermüdet die Augen. Sie brannten, und er hatte das Gefühl, als seien sie leicht entzündet. Er sah zum Fenster hinaus. Noch immer schneite es. Im Nebenzimmer hörte er das Telefon klingeln und die Stimme seiner Mutter, die sich meldete.
    Langsam schlug er das Buch zu. Es war für ihn Zeit, zur Arbeit zu gehen. Er hatte in diesem Monat den Nachtdienst. Er stand auf und ging ins Badezimmer hinüber. Sein Rasierzeug lag bereits auf dem Waschbecken.
    Er seifte sich gerade ein, als seine Mutter hinter ihm in die Tür trat. »Ich mache dir das Frühstück zurecht, mein Junge.«
    »Danke, Mutter«, antwortete er, nahm den Rasierapparat und begann sich zu rasieren.
    Sie blieb stehen und beobachtete ihn. »Du hast nicht viel geschlafen«, meinte sie. »Gegen drei Uhr habe ich dich schon aufstehen hören.«
    »Ich war nicht müde«, erwiderte er. »Außerdem hatte ich noch zu arbeiten. In ein paar Monaten steigen die Polizeiexamen. Du möchtest doch nicht, daß ich mein ganzes Leben hindurch nur Pflaster trete?«
    »Nein«, antwortete sie. »Aber es wäre mir lieber, du wärst ein bißchen wie andere junge Leute. Es würde dir guttun, hin und wieder auszugehen, anstatt ständig die Nase in die Bücher zu stecken. Die Tochter der Gallaghers, du weißt schon, vom Drogisten, treffe ich übrigens jeden Tag auf der Straße, und fast jedesmal erkundigt sie sich nach dir.« »Ach, Mutter, wie oft habe ich dir schon gesagt, daß ich keine Zeit für Mädchen habe«, erwiderte er ungeduldig. »Dafür bleibt später noch Zeit genug. Im Augenblick habe ich zuviel zu tun.«
    Ruhig begegnete sie seinem Blick im Spiegel. »Wenn es diese Marja wäre, hättest du Zeit.«
    Er fühlte, wie er errötete. »Vergiß sie, Mutter. Ich habe dir gesagt, daß das vorbei ist.«
    Die Augen seiner Mutter waren voller Güte. »Ich kann sie vergessen, mein Junge«, entgegnete sie und wandte sich ab. »Aber kannst du es?«
    Er hörte ihre Schritte sich auf dem Gang

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