Die Moralisten
sondern griff nach den Zeitungen und begann sie zu überfliegen. In einer war sie abgebildet, wie sie zusammen mit Gordon das Standesamt verließ, nachdem sie das Aufgebot bestellt hatten. Sie hatte sich nichts weiter dabei gedacht, als ein Fotoreporter die Aufnahmen machte. Jetzt fiel ihr ein, was Gordon gesagt hatte, bevor sie zum Standesamt fuhren: »Sie werden gewaltig auf die Pauke hauen, aber du mußt gar nicht darauf achten. Die können sagen und tun, was sie wollen. Es wird nichts an meiner Einstellung zu dir ändern.«
Plötzlich hatte sie Angst beschlichen. »Vielleicht sollten wir es doch nicht tun, Gordon. Vielleicht sollten wir noch warten. Du weißt so gar nichts von mir.«
Er hatte sie beruhigend angelächelt. »Ich weiß alles, was ich zu wissen brauche. Es ist mir gleich, was du tust. Ich weiß nur, was du für mich bist. Das ist doch das einzige, worauf es ankommt ...«
Der Hauswirt trank seinen Kaffee. »Ist es wahr, Mary? Wirst du ihn wirklich heiraten?«
Sie blickte von der Zeitung auf und nickte: »Ja.«
Er stieß einen Pfiff aus. »Das ist ein Haupttreffer. Weiß er denn, daß du .«
Sie ließ ihn seine Frage nicht aussprechen. »Er hat gesagt, es sei völlig unwichtig. Nichts sei wichtig«, erklärte sie hastig und wich somit der Wahrheit aus.
»Der muß ja ganz verrückt nach dir sein.« Mac stellte seine Tasse hin und erhob sich. »Das dürfte wohl bedeuten, daß ich einen Mieter verliere.«
Sie antwortete ihm nicht, sondern sah ihn nur an. Etwas in seinem Benehmen hatte sich verändert. Es war eine kaum merkliche Veränderung, aber sie war unverkennbar. Sie spürte eine Unterwürfigkeit in ihm, die ihr neu war. Sie schüttelte den Kopf. »Nicht sofort, Mac«, erwiderte sie. »Wir können erst in drei Tagen heiraten.«
Er ging zur Tür, öffnete sie, blieb dann stehen und wandte sich zu ihr um. »Wenn du irgend etwas haben willst, Mary«, sagte er leise, »brauchst du nur zu rufen. Ich bin gleich da.«
»Danke, Mac«, sagte sie.
Er zögerte einen Augenblick. »Und vergiß bitte nicht, daß ich immer dein Freund war.«
»Ich vergesse es nicht, Mac«, sagte sie. Die Tür schloß sich hinter ihm. Sie räumte die Tassen weg und stellte sie in das Spülbecken. Ein Name und Geld konnten viel ändern. Ihre Lippen verzogen sich zu einem bitteren Lächeln. Sie war entschlossen. Mac hatte ihr den einen Weg gezeigt. Jetzt würde sie den anderen einschlagen, der sich ihr bot. Dann sollte nur noch jemand versuchen, auf ihr herumzutrampeln.
Gordon trat unter der Dusche hervor, nahm sich ein großes Badetuch von der Stange und begann sich abzutrocknen. Er summte vor sich hin. Nur noch ein Tag.
Langsam zog er sich an. Er war noch immer ganz gut in Form. Er war zwar nicht mager, aber auch nicht aufgeschwemmt. Er dachte an das, was Mary gesagt hatte. Weniger trinken. Damit hatte sie recht. Er hatte es immer gewußt, sich aber nicht daran gehalten. Er hatte ja nichts anderes zu tun.
Er ging in sein Schlafzimmer und nahm sein Hemd vom Kissen, das Tom dort hingelegt hatte. Ein schwacher Duft stieg vom Kissen auf -ihr Parfüm. Die Erregung erwachte in ihm. Sie war in ihrer Leidenschaft wie eine Tigerin. In wilder Lust schlug sie ihre Nägel in ihn und war unersättlich. Niemals zuvor hatte es eine solche Frau für ihn gegeben.
Wieder hörte er ihre drängende, halb erstickte Stimme: »Nimm mich ganz, Geliebter! Nimm mich!« Ein Schauer überlief ihn, als spüre er ihre Finger, die sich in seine Haut bohrten. Niemals zuvor hatte er sich so sehr als Mann gefühlt.
»Mr. Gordon!« Toms Stimme drang von unten herauf.
Sie riß ihn aus seinen Erinnerungen. »Ja, Tom?«
»Ein Herr möchte Sie sprechen.«
»Wer ist es?« Gordon war verärgert. Wie oft hatte er Tom schon gebeten, sich den Namen eines Besuchers sagen zu lassen.
»Er will es nicht sagen«, antwortete Tom. »Er sagt, es ist privat und vertraulich. Es handelt sich um Miß Flood.«
Gordon furchte die Stirn. Er fragte sich, was der Mann von ihm wollte. Wahrscheinlich ein Reporter. Diese Leute benahmen sich immer so seltsam. »Er soll warten«, rief er Tom zu. »Ich komme gleich hinunter.«
Einige Sekunden später trat er ins Wohnzimmer. Ein breitschultriger Mann mit rötlichem Gesicht erhob sich aus einem Sessel. »Mr. Paynter?« fragte er.
Gordon nickte und wartete darauf, daß sich der Mann vorstellte.
»Ich heiße Joe«, sagte der Mann nervös. »Der Nachname ist ohne Bedeutung. Ich bin nur gekommen, um Ihnen einen Gefallen zu
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