Die Moralisten
ohne auch nur einmal zu mucksen. Sie legte ein fach die Hand auf das Loch, damit man das Blut nicht sah, und ging eiskalt zum Flugzeug.« »Und wo ist sie jetzt?« fragte Judd.
»Sie schläft in ihrer Kabine«, erwiderte Doc Sawyer. »Sie hat natürlich eine Menge Blut verloren. Ich habe ihr anderthalb Liter Plasma gegeben, die Wunde genäht und ihr eine Beruhigungsspritze verpaßt. Sie wird ungefähr zehn oder zwölf Stunden lang schlafen.«
»Gut gemacht«, gratulierte Judd. »Aber eine Schweinerei ist es doch! Ich würde gern wissen, was in Havanna passiert ist.«
»Das wissen wir ziemlich genau«, sagte Merlin. »Die Dame war kaltblütig genug, Borovniks Unterlagen einzustecken, bevor sie abreiste. Ich habe die Papiere durchgelesen. Dabei hat sich gezeigt, daß diese pr oblematischen Konten bei der South and Western Savings and Loan Association von der kubanischen Regierung garantiert worden sind. Die Dealer wurden von den Kubanern gedeckt.« »Da haben wir uns eine Menge Ärger eingekauft, was?« Merlin nickte.
»Und was machen wir jetzt?« fragte Judd. »Wir können gar nicht viel tun. Die Behörden haben die Sache schon fest im Griff«, erklärte Merlin. »Das Finanzministe rium, die Federal Deposit Insurance Corporation, die Steuerfahndung, der Zoll, das FBI und der CIA schnüffeln geradezu um die Wette.«
Judd hob den Kopf und warf Merlin einen prüfenden Blick zu. »Und wie sieht die Bilanz für uns aus?«
»South and Western Savings ist so gut wie erledigt. Zuerst sah es so aus, als ob wir mit Einbußen in Höhe von vierhundert Millionen Dollar davonkämen, aber jetzt, nachdem die Behörden praktisch alle Konten prüfen, ziehen die Kunden scharenweise ihre Einlagen zurück. Wir müssen wahrschein lich mehr als sechshundert Millionen auszahlen, und damit ist die Bank pleite. Wenn wir sie halten wollen, müssen wir mindestens dreihundert Millionen aus unseren Mitteln zuschießen.«
Judd zögerte keinen Moment. »Tun Sie das, Merlin.« »Es besteht aber die Gefahr, daß wir die auch noch verlieren.«
»Unser guter Name steht auf dem Spiel. Das Geld ist auch gar nicht so wichtig. Was mich ärgert, ist unsere eigene Dummheit.«
Die Männer schwiegen einen Moment. »Sonst noch was?« fragte Judd.
»Die Mädchen haben jetzt alle die ersten Vorsorgeuntersuchungen hinter sich und befinden sich in ausgezeichnetem Zustand«, sagte Doc Sawyer. »Die Verträge liegen der Rechtsabteilung unterschrieben vor, von daher bestehen also keine Bedenken. Der Sicherheitsdienst hat die Mädchen einzeln in verschiedenen Städten untergebracht. Keins der Mädchen weiß, daß es noch andere gibt, und natürlich wissen sie auch nicht, daß wir mit der Sache zu tun haben. Die Stiftung, die für ihren Lebensunterhalt sorgt, hat ihre Arbeit schon aufge nommen. Die Mädchen sind völlig zufrieden. In sechs oder sieben Monaten haben wir einen Babyboom, wie ihn bisher nur Ibn Saud erlebt haben dürfte.«
»Ibn Saud hat über neunhundert Kinder gehabt«, mein-te Judd. »Und er hatte das Vergnügen, jedes persönlich zu machen.«
»Ja, man kann nicht alles gleichzeitig haben«, lachte Doc Sawyer. »Und wir sind hier nicht in Arabien.«
Judd dachte einen Augenblick nach. »Eine von den Frauen weiß aber sehr genau, was vorgeht«, sagte er schließlich. »Sofia.«
Doc Sawyer nickte. »Ich habe das mit Dr. Zabiski erörtert. Wir haben beschlossen, daß die Abtreibung bei Dr. Ivancich so bald wie möglich durchgeführt wird. Daß die anderen die Kinder austragen werden, wird sie niemals erfahren.« Judd sah zum Fenster hinaus. Eine dünne rote Linie erstreckte sich dort, wo die Sonne hinter den Horizont sank. »Es sieht so aus, als hätten Sie alles unter Dach und Fach, Doc.«
»Wir haben unser Bestes getan«, bestätigte Doc Sawyer. »Gut.« Judd wandte sich an Merlin. »Was macht unsere neue Residenz?«
»Die Leute von Crane Construction haben einen Pla-nungs stab zusammengestellt. Jetzt brauchen sie noch ein paar Spezialisten, die wirklich begreifen, was wir uns vorstellen. Aber sie glauben, daß sie uns die ersten Entwürfe in zwei Monaten vorlegen können.«
»Und wie lange rechnet ihr für die Bauzeit?« »Ungefähr ein Jahr für die Rohbauten und ein weiteres Jahr für den Innenausbau.« Merlin warf ihm einen skeptischen Blick zu. »Wollen Sie sich wirklich darauf einlassen, Sir? Ich schätze, das kostet uns mindestens vierzig Millionen.« »Wir werden uns die Pläne genau ansehen, ehe wir uns entscheiden. Wir haben ja
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