Die Moralisten
spanischsprachigen Welt auf steigen. Es wird alles hier in Mexiko hergestellt, aber der Marktanteil, den Sie erreichen können, ist Milliarden wert. Bitte teilen Sie dem Präsidenten das mit.« Der Minister starrte Judd verblüfft an. »Sie sprechen eine sehr deutliche Sprache, Señor.«
»Ich spreche immer eine deutliche Sprache, Herr Minister. Der Fortschritt kann nur auf den Felsen der Wahrheit gebaut werden, nicht auf Verfall und Entartung.« »Ihre Arroganz ist typisch amerikanisch«, meinte der Wirtschaftsminister gelassen. »Immer glauben Sie, alle anderen Völker belehren zu müssen, und südlich des Rio
Grande wohnen Ihrer Ansicht nach ohnehin nur die armen Verwandten.«
»Präsident Carter ist mit einem Olivenzweig nach Mexico City gekommen. Er wollte die Beziehungen zwischen unseren Ländern und das gegenseitige Verständnis mit einem Schlage verbessern. Das war vermutlich naiv; man kann wohl keine Wunder erwarten, jedenfalls heutzutage nicht mehr. Aber warum hat man ihn so abblitzen lassen? Warum, Herr Minister, starren Sie alle nach Kuba? Was macht denn Fidel Castro so faszinierend für Sie? Er stellt doch Ihre Regierungsform und Ihre demokratische Ordnung da uernd in Frage Warum brüskieren Sie nicht mal Fidel Castro?« Der Minister gab keine Antwort.
»Früher haben Sie Ihren Zucker selbst angebaut. Heute importieren Sie Zucker. Früher haben Sie Kakao, Kaffee und Weizen angebaut, heute konzentriert sich ganz Mexiko fie berhaft auf das Öl, das unter dem Meeresboden liegt. Es dauert Jahre, um die Ölreserven zu erschließen, und ehe sie rentabel genutzt werden können, ist das Öl vielleicht schon durch andere Energien ersetzt worden.« »Ich bedaure sehr, daß Sie uns Mexikaner so wenig schätzen«, sagte der Minister kühl.
»Aber ich schätze Sie sehr«, widersprach Judd. »Ich liebe das mexikanische Volk. Seine Tapferkeit und Großzügigkeit. Ich beschäftige legal und illegal mehr als anderthalb Millionen Mexikaner in meinen Betrieben.
Ich finde sie außerordentlich tüchtig und fleißig. Die Mexikaner tun mir aber auch leid, vor allem die zukünftigen Führer des mexikanischen Volkes; denn in zwei Jahren, wenn eine andere Regierung die Macht übernimmt, werden die neuen Politiker soviel Scheiße von den Stiefeln zu kratzen haben, daß sie dem Volk kein
Essen mehr auf die Gabeln tun können.«
»Ist das Ihre ehrliche Überzeugung?« fragte der Minister höflich.
»Ja. Und ich bin sicher, Sie wissen meine Ehrlichkeit zu schätzen.«
»Und was sollen wir Ihrer Meinung nach tun?« Judd blickte ihm fest in die Augen. »Ich bin kein Mexikaner und ich bin kein Politiker. Ich kann keine Lösungen anbieten, und es geht mich ja auch gar nichts an.
Aber ich finde, daß Mexiko die führende Rolle in Lateinamerika spielen sollte. Jetzt ist es nur der Vasall eines Vasallen, der von Leuten beherrscht wird, die Sie im Grund e alle verachten.« Der Minister seufzte.
»Können Sie Ihren Abflug nicht aufschieben?« »Tut mir leid, Herr Minister.«
»Aber Sie kommen noch einmal nach Mexico City?« »Wenn ich eingeladen werde, komme ich gerne, Herr Minister«, versicherte Judd.
»Ich werde mich dafür einsetzen«, lächelte der Minister. Das Telefon neben ihm klingelte plötzlich. Er nahm den Hörer ab, hörte einen Augenblick zu, stellte ein paar Fragen auf spanisch, bedeckte dann die Muschel mit der Hand und sagte zu Judd: »Die Einwanderungsbehörden auf dem Flughafen haben auf Wunsch der kubanischen Polizei eine Frau Dr. Ivancich festgenommen. Die Kubaner verlangen ihre Auslieferung.
Frau Dr. Ivancich hat sich darauf berufen, daß sie Ihr Gast sei und für Sie arbeite und auf dem Flughafen lediglich in Ihr Flugzeug umsteigen wolle. Sie besitzt einen gültigen Paß ihres eigenen Landes und ein gültiges Visum für die Vereinigten Staaten.«
»Wo befindet sich Frau Dr. Ivancich jetzt?« fragte Judd. »Im Büro der Flughafenpolizei in der Transithalle.«
Judd schob das Kinn vor. »Frau Dr. Ivancich spielt bei unseren medizinischen Forschungen eine sehr wichtige Rolle. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie Ihre Einwanderungsbehörden veranlassen würden, Frau Dr. Ivancich zu meinem Flugzeug zu bringen. Es wäre sicher nützlich, wenn Sie den Beamten mitteilen könnten, daß Sie mir freies Geleit für Frau Dr. Ivancich zugesagt haben.«
»Die Kubaner haben uns wissen lassen, daß Frau Dr. Ivancich eines schweren Verbrechens beschuldigt wird.« »In Kuba«, fragte Judd, »oder in Mexiko?« »In
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