Die Moralisten
Prise Schnee?« fragte sie schließlich.
Judd winkte Fast Eddie, ohne etwas zu sagen. Wortlos trank er sein Cherry-Coke, während sie das Kokain einsog. Sofia warf einen Blick aus dem Fenster. »Der Himmel ist so blau.«
»In vierzehntausend Meter Höhe ist er das immer«, bemerkte Judd trocken.
Sofia senkte den Kopf. »Ich habe Angst«, flüsterte sie. »Ich möchte nicht sterben.« »Du wirst auch nicht sterben.«
»Du kennst diese Leute nicht«, widersprach sie. »Die sind anders als du. Ich habe die gemeinsame Sache verraten. Das werden sie niemals vergessen. Früher oder später werden sie mich umbringen.«
»Du könntest >verloren< gehen«, schlug Judd vor. »In Amerika haben sich schon viele vor ihnen versteckt und sind niemals entdeckt worden. Sie haben sogar einige ihrer größten Wissenschaftler aus den Augen verloren und schließlich vergessen.«
»Das kann schon sein. Aber mich vergessen sie nicht. Mein Verbrechen besteht nicht nur im Verrat. Ich habe jemanden ermordet, der kurz vor der Aufnahme ins Politbüro stand.« Sie nahm eine Zigarette vom Tisch, zündete sie an und drückte sie gleich wieder aus. »Ich bin noch nie gut gewesen beim Weglaufen.
Ich kann genausogut gleich nach Moskau gehen.«
Judd nickte. »Wenn du willst.«
Sie warf ihm einen verächtlichen Blick zu. »Es ist dir also egal, wenn ich sterbe, ja?«
»Du wirst nicht sterben«, versicherte er. »Du vergißt etwas sehr Wic htiges: Du wirst noch gebraucht.«
»Wozu?« fragte sie mit einem skeptischen Blick. »Für Breschnew«, lächelte Judd. »Für deinen nächsten Patienten.«
Sofia schwieg verblüfft.
»Glaubst du, sie würden Breschnews Leben gefährden, bloß weil du dem Schwiegersohn eines PolitbüroBürokraten, einem drittklassigen KGB-Funktionär, ein Loch in seinen dämlichen Schädel gemacht hast?
Andropow ist doch nicht dumm! Wenn du Breschnews Leben um ein paar Monate verlängern kannst, so hat er mehr Zeit, seine Aussichten als Nachfolger zu konsolidieren.« Sofia hob den Kopf. »Glaubst du das wirklich?« »Ich garantiere es dir. Crane Industries hat überall seine Kon takte. Auch im Politbüro.«
Brasilia war eine brandneue Stadt. Sie war so neu, daß ihr Herz noch gar nicht begonnen hatte zu schlagen.
Die Straßen waren breit und sauber, und die Gebäude bestanden alle aus Glas und Beton. Die Autos, Busse und Lastwagen schienen ebenfalls ihren Beitrag zur Sauberhaltung der Stadt leisten zu wollen: Sie fuhren nicht mit Benzin oder Diesel, sondern mit einem Alkoholgemisch, das praktisch rückstandsfrei war. Der Himmel über der Stadt war von keiner Luftverschmutzung getrübt.
Die Konferenz fand in einem eleganten Besprechungszimmer im zwanzigsten Stock statt. Große Fenster erlaubten einen Überblick über die Straßen der Stadt. Die Teilnehmer saßen auf weichen Ledersesseln um einen rustikalen Konferenztisch aus prachtvoll gemaserter Eiche. Judd saß dem Leiter der brasilianischen Delegation direkt ge genüber, links und rechts von ihm saßen Doc Sawyer und Merlin. Auch Dr. Schoenbrunn, dem Sprecher der Brasilia ner, standen zwei Berater zur Seite.
Die Verhandlungen wurden in englischer Sprache geführt, aber der deutsche Akzent des Brasilianers war unüberhörbar. »Wenn ich Sie recht verstehe«, sagte Judd, »so hat Mr. Ludwig eine halbe Milliarde in das Projekt investiert.« Dr. Schoenbrunn nickte. »Und was erwarten Sie von mir?« fragte Judd. Dr. Schoenbrunns Akzent wurde stärker. »In dieser Angele genheit erwarten wir gar nichts von Ihnen, Mr. Crane.«
Judd war verblüfft. Zahlreiche Fragen lagen ihm auf der Zunge, aber er wollte sich seine Überraschung nicht anmerken lassen. Deshalb blieb er zunächst einmal stumm. »Unsere Gespräche mit Mr. Ludwig haben bereits zu einem Ergebnis geführt«, erklärte Schoenbrunn. »Die Fabriken werden vom brasilianischen Staat über-
nommen. Mr. Ludwig erhält eine angemessene Verzinsung und einen Anteil der Überschüsse.
Seine Investitionen werden im Lauf der kommenden Jahre nach Maßgabe der wirtschaftlichen Entwicklung getilgt.«
Judd verzog keine Miene. »Herzlichen Glückwunsch. Damit!
haben Sie einen glänzenden Beitrag zur Steigerung der Wirtschaftskraft Ihres Landes geleistet, Herr Dr.
Schoenbrunn.« »Vielen Dank.« Schoenbrunn erlaubte sich ein bescheidenes Lächeln.
»Ich vermute«, sagte Judd, »daß Sie mir einen anderen Vorschlag unterbreiten wollen? Sonst hätten Sie mich ja schwerlich hierherkommen lassen.«
»Das ist richtig«,
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