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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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kobaltblauen Augen leuchteten in seinem tiefgebräunten Gesicht. Er trug ein weißes Hemd mit offenem Kragen, weiße Leinenhosen und Mokassins.
    »Du siehst auch sehr gut aus«, erwiderte Judd. »Ich habe ein bißchen zugenommen«, seufzte Sofia. »Zu viele Kohlehydrate und zuwenig Eiweiß. Es gibt nicht viel Abwechslung auf der Speisekarte in Bangladesh.« Sie häufte sich einen weiteren Löffel Kaviar auf ihren Toast. »Da geht es nicht ganz so üppig zu wie bei dir.« Judd lächelte. »Ich kann es mir vorstellen.« »Soll ich dir auch einen Toast machen?« »Nein, danke«, winkte er ab. »Im Kavier ist zuviel Salz für mich.«
    »Wie hast du mich eigentlich in Bangladesh gefunden?« fragte Sofia.
    »Ach, das war einfach«, erwiderte er. »Dein Name stand auf einer Bestellung. Alle Bestellungen von Krankenhäusern werden bei Crane Pharmaceuticals im Computer gespeichert und mit der Personenkartei des Sicher-heitsdienstes verglichen. Wenn sich ein interessanter Zusammenhang zeigt, wird mir das mitg eteilt.«
    »Ich habe gedacht, du hättest beim KGB nachgefragt«, sagte sie.
    »Nein, das wäre mir zu kompliziert gewesen.« »Und warum wolltest du mich sehen?« »Wegen der Unterlagen von Dr. Zabiski«, antwortete er. »Sie hat mir nur einen Teil gegeben. Ich habe keine Aufzeichnungen aus den Jahren vor 1953.«
    Sofia schwieg einen Augenblick. »Das verstehe ich nicht. Ich habe noch am Tag, an dem sie starb, mit ihr gesprochen, und sie hat mir gesagt, sie hätte dir alles gegeben.« »Dann hat sie etwas ausgelassen in ihren Berichten«, erklärte Judd. »Wir haben die Formel immer noch nicht.«
    »Das hat sie auch mir mitgeteilt. Sie hat gesagt, sie hätte dir das nötige Werkzeug gegeben, aber die Formel müßtest du selbst finden.«
    »Seit drei Jahren haben meine Experten das Zeug überprüft«, sagte er, »und das Ergebnis ist null.« Sofia holte tief Atem. »Die alte Hexe«, sagte sie leise. »Was meinst du damit?«
    »Sie hat uns alle zum Narren gehalten. Dich und mich, sogar Andropow und den KGB. Sie liegt im Grab und lacht uns aus.« Sofia hob den Blick. »Verstehst du nicht? Sie wollte, daß wir zusammen weiterarbeiten. Ich bin der letzte Experte, der dir noch bleibt.« Judd musterte sie schweigend.
    »Du hast mich rufen lassen, nicht wahr?« sagte sie und fuhr dann rasch fort: »Wir müssen wieder von vorne anfangen.« »Bist du deswegen in Bangladesh gewesen?« fragte Judd. »Zum Teil«, erwiderte sie.
    »Außerdem wollte mich Andropow aus der Sowjetunion und aus Jugoslawien raushaben.« »Weil Breschnew gestorben ist, genauso wie Mao?« Sofia warf ihm einen kühlen Blick zu. »Ich hatte weder mit dem Tod des einen noch mit dem Tod des anderen etwas zu tun.«
    »Aber weiß das auch Andropow?« fragte er. »Mao ist gestorben, und du warst der behandelnde Arzt. Jetzt ist Andropow krank, soviel ich gehört habe. Aber er hat dich nicht ans Krankenbett gerufen, obwohl er dich zu Mao und Breschnew geschickt hat. Vielleicht hat er das Vertrauen in deine Heilkunst verloren.«
    Sofia hielt seinem Blick stand. »Ich weiß nicht, was Andropow denkt. Er hat mich nicht ins Vertrauen gezogen.« »Vor langer, langer Zeit«, sagte Judd, »hat Dr. Za-biski mir gesagt, daß sie alle sterben, wenn ihre Zeit kommt. Daß es keine Garantien gibt, ewig zu leben. Daß sie lediglich die Lebensqualität der letzten Jahre verbessern könne.«
    »Das hat sie mir auch gesagt.«
    »Und doch hat sie mir weismachen wollen ...« sagte er zögernd.
    Sofia lächelte. »Vielleicht hat sie geglaubt, du könntest verwirklichen, was sie nie erreicht hat.«
    Es klopfte. Fast Eddie trat ein. »Das Dinner ist angerichtet«, gab er bekannt.
    Das Eßzimmer war nicht sehr groß. Ein einzelner starker i Scheinwerfer verwandelte den runden Glastisch mit durchsichtigen Beinen zu einem schillernden Lichtsee, der in allen Regenbogenfarben strahlte. Sechs Personen hätten mühelos Platz gefunden, aber es waren nur zwei Gedecke aufgelegt worden. Die Sets waren makellose Metallspiegel, und das silberne Besteck funkelte genauso wie die silbernen Ringe mit den schlichten Damastservietten und die eleganten, schmucklosen Baccaratgläser.
    Neben jedem Gedeck stand ein silberner Leuchter mit einer weißen Kerze. Die federnden Stahlrohrstühle hatten bequeme Rükkenlehnen und Sitze aus schneeweißem Leinen.
    Sofia saß ihrem Gastgeber gegenübe r. Judd drehte am Dimmer, und im ganzen Raum erloschen die Lic hter, bis ihre Gesichter nur noch von den Kerzen und den

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