Die Moralisten
nächsten Tag von deiner Nachricht gehört haben. Wenn ich gewartet hätte, wäre ich entführt worden, vielleicht auch ermordet. Ich war zwar nützlich für sie, aber ich wußte auch zuviel.« Judd schwieg.
Sofia war plötzlich sehr müde. »Ich glaube, jetzt ist es sowieso aus. Ich kann genausogut gleich nach Moskau zurückfliegen. Du kannst meine Unterlagen behalten. Du solltest sie im Falle meines Todes ohnehin kriegen.« »Ich würde sie aber lieber lesen, solange du noch lebst«, sagte Judd trocken. »Ich möchte dich ungern verlieren.« »Ist das dein Ernst?«
»Sonst hätte ich es ja nicht gesagt, oder?« knurrte er ins Telefon. »Und jetzt hör genau zu: Du bleibst in deinem Büro, verriegelst die Tür und machst erst wieder auf, wenn du meine Stimme hörst, ist das klar?«
Sie hörte, wie er einhängte. Zögernd legte sie den Hörer aus der Hand und stand auf. Leise klopfte es an die Tür.
Sie griff nach ihrer Handtasche und zog einen kurzläufigen Magnum-Revolver heraus. Sie umklammerte die Waffe mit beiden Händen und zielte damit auf die Tür. »Ja, bitte? Wer ist da?«
»Ich bin es, Ma'am.« Die Stimme von Max war sehr leise. »Mr. Crane hat gesagt, ich solle Sie zum Essen abholen.« »Kommen Sie herein«, sagte sie ruhig. Die Tür ging auf, und Max trat herein. Seine rechte Hand steckte in der Innentasche seiner Jacke. Als er die Waffe in ihrer Hand sah, weiteten sich seine Augen erschrocken. Es war das letzte, was er je sah.
Die Schüsse aus der großkalibrigen Waffe schleuderten ihn zurück durch die Tür auf den Flur. Seine Jacke färbte sich rot. Vergeblich griffen seine Hände ins Leere, und als er vor dem Fahrstuhl zusammenbrach, breitete sich eine große Blutlache aus. Das Echo der Schüsse kam wie Donnergrollen aus den Korridoren zurück.
Sofia blieb in ihrem Büro und klammerte sich an den Revolver. Sie hörte hastige Schritte auf dem Flur, gleichzeitig surrte der Aufzug.
Fast Eddie sprang aus der Aufzugtür, den großen Colt in der Faust. Als er die Leiche des Schwarzen auf dem Flur liegen sah, bückte er sich, um sie zu untersuchen. Sicherheitsleute stürmten von allen Seiten heran, Judd folgte ihnen dichtauf. Judd bemerkte als erster, daß sich die Tür am anderen Ende des Flurs öffnete. »Hinter dir«, schrie er. Fast Eddie wollte sich umdrehen, aber Sofia war schneller. Sie drückte sofort auf den Abzug ihres Revolvers, als Mae auf dem Flur stand. Der Schuß riß die Schwarze zu Boden, und die Salve aus ihrer Uzi-Maschinenpistole ging wirkungslos in die Decke. Die Waffe rutschte ihr aus der leblosen Hand, und plötzlich war es sehr still.
Fast Eddie hatte sich als erster wieder gefaßt. »Die hat's auch erwischt«, bemerkte er trocken.
Judd machte einen Schritt über die Leiche von Max weg und legte seinen Arm um Sofia. Sie war schneeweiß im Gesicht und zitterte am ganzen Leib. Behutsam nahm Judd ihr die Waffe aus der Hand. »Eigentlich wollten ja wir dich beschützen«, lächelte er.
Ihre Schultern entspannten sich, und die Angst wich aus ih ren Augen. Sie holte tief Luft und seufzte. »Ich dachte mir, das wäre der beste Abgang, wenn du schon unsterblich bist, Judd.« Ein winziges Lächeln stand in ihren Augen. »Sie waren ja nicht hinter mir her«, grinste Judd. »Auch Querschläger verändern die Lebenserwartung gelegentlich drastisch«, sagte Sofia. »Wo geschossen wird, muß man sich ziemlich im Hintergrund halten.«
Judd untersuchte Sofias Revolver. Er entriegelte die Trom mel, hielt den Lauf nach oben und ließ die Patronen herausfallen. Die Trommel enthielt drei Patronen und drei leere Hülsen. Judd drehte die Patronen in der Hand. »Hübsch«, sagte er. »Explosivgeschosse. Das ist eine ganz besondere Waffe. Wo hast du die her?«
»Vom KGB«, erwiderte sie. »Die haben da einen Experten, der sich auf solches Spielzeug spezialisiert hat.« Judd nickte. »Hast du das Ding denn schon lange?« »Seit zehn Jahren vielleicht. Das war das erste Mal, daß ich es wirklich benutzt habe. Sonst habe ich nur auf dem Schießstand geschossen.«
Judd steckte sowohl die Waffe als auch die Patronen in seine Jacke. Im Korridor drängten sich inzwischen zwei Dutzend Sicherheitsleute. Judd faßte Sofia bei der Hand und winkte fast Eddie. »Kommt, wir gehen in mein Büro.« Sie betraten die Aufzugskabine. Aber ehe Judd den Bedie nungsknopf drückte, wandte er sich noch einmal an die Sicherheitsleute. »Wer von Ihnen ist für diesen Abschnitt verantwortlich?« fragte er.
Ein
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