Die Mordbeichte
Lächeln.
»An Jack Meehan ist nichts
erheiternd«, sagte Miller. »Er ist das fieseste Subjekt,
das mir je in meinen fünfundzwanzig Dienstjahren über den Weg
gelaufen ist. Er hat ein Bestat tungsunternehmen hier in der Stadt,
aber hinter der Fassade der Wohlanständigkeit leitet er eine
Organisation, die den Rauschgifthandel, die Prostitution, die
Spielhöllen und Beste chungsaffären der meisten großen
Städte im Norden Englands unter sich hat.«
»Und Sie können ihm nicht Einhalt gebieten? Ich finde das überraschend.«
»Herrschaft durch Terror,
Pater. Er hat bei vielen Gelegen heiten auf Männer geschossen
– gewöhnlich in die Beine, das tötet nicht, sondern
schafft nur Krüppel. Er hat sie gern um sich – als
Aushängeschild.«
»Ist das eine Tatsache?«
»Die ich nicht beweisen kann.
Genauso wie ich nicht be weisen kann, daß er hinter der
übelsten organisierten Kin derprostitution steckte oder daß
er einem Mann Disziplin beibrachte, indem er ihn mit fünfzehn
Zentimeter langen Nägeln kreuzigte oder einen anderen seine
Exkremente es sen ließ.«
Einen winzigen Augenblick lang sah
sich da Costa in jenes Lager in Nord-Korea zurückversetzt –
halbtot in einer Latrine liegend, während der Stiefel eines
Chinesen sein Gesicht in einen Haufen menschlichen Kots stieß.
Der Aufseher hatte ihn zwingen wollen, den Kot zu essen, aber er hatte
sich gewei gert, hauptsächlich, weil er geglaubt hatte, daß
er ohnehin sterben müßte.
Er holte sich wieder in die Gegenwart
zurück. »Und Sie glauben, daß Meehan hinter der
Ermordung Kraskos steckt?«
»Er muß
dahinterstecken«, sagte Miller. »Krasko war sozu sagen ein
Geschäftsrivale in jeder Hinsicht. Meehan versuchte, ihn unter
seine Fittiche zu bekommen, aber Krasko wider setzte sich. In Meehans
Jargon: Er wollte nicht vernünftig sein.«
»Und so mußte ihn ein Killer in aller Öffentlichkeit hin richten.«
»In gewisser Weise beweist die
Tatsache, daß Meehan so etwas zu tun wagt, seinen
Größenwahn. Er weiß, daß ich sicher bin,
daß er hinter der Geschichte steckt, aber er will, daß ich
es weiß – will, daß es alle wissen. Er glaubt,
daß ihm nichts und niemand etwas anhaben kann.«
Da Costa sah stirnrunzelnd auf das
Foto, und Fitzgerald sagte: »Mit Ihrer Hilfe könnten wir ihn
dieses Mal schnappen, Pater.«
Pater da Costa schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, In spektor.«
Miller sagte barsch: »Pater da
Costa, den einzigen Schluß, den wir aus Ihrem seltsamen Benehmen
schließen können, ist, daß Sie den Mann, den wir
suchen, kennen. Ja, daß sie ihn schützen. Inspektor
Fitzgerald hier ist Katholik. Er vermutet, daß Ihr Wissen
irgendwie mit dem Beichtgeheimnis verknüpft ist. Trifft diese
Vermutung zu?«
»Glauben Sie mir, Superintendent, wenn ich helfen könnte, würde ich es tun.«
»Sie weigern sich weiterhin?«
»Ich fürchte, so ist es.«
Miller sah auf seine Uhr. »Also
gut, Pater. Ich habe in zwanzig Minuten eine Verabredung. Ich
möchte, daß Sie mich begleiten. Keine Drohung – kein
Zwang. Nur eine simple Bitte.«
»Darf ich fragen, wohin wir gehen?«
»Zur Autopsie von Janos Krasko in die städtische Leichen halle.«
»Soll das eine Herausforderung sein?«
»Das überlasse ich Ihnen, Pater.«
Da Costa stand auf. Er war
plötzlich müde und der ganzen elenden Geschichte
überdrüssig. Seltsamerweise war das ein zige, was er wirklich
in sich aufnahm, die Orgelmusik.
»Ich habe Abendmesse,
Superintendent, und anschließend Abendmesse für die
Obdachlosen. Es darf nicht lange dau ern.«
»Höchstens eine Stunde,
Sir. Ich werde Sie zurückfahren. Aber wir müssen jetzt
wirklich aufbrechen.«
Da Costa öffnete die Sakristei, ging in die Kirche und blieb an den Chorschranken stehen. »Anna?«
Fallon hörte zu spielen auf, und das Mädchen wandte ihrem Onkel das Gesicht zu.
»Ich gehe eben weg, Liebes, mit Superintendent Miller.«
»Was ist mit der Messe?« fragte sie.
»Ich werde nicht lange
ausbleiben. Vielleicht kann Mr. Fallon nach der Messe wiederkommen?
Dann können wir uns über die Orgel unterhalten.«
»Sehr gern, Pater«, rief Fallon freundlich.
Pater da Costa, Miller und Fitzgerald
gingen das Seitenschiff entlang, kamen an Jack Meehan und seinem
Bruder, die immer noch in den dunklen Schatten saßen, vorbei und
ver ließen die Kirche durch das Hauptportal. Der Wind schlug
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