Die Mordbeichte
›Präludium und
Fuge in D-Dur‹ spielen, ja?«
»Ich habe es nur in Blindenschrift.«
»Das macht nichts. Ich kann es
auswendig.« Er wandte sich um und blickte zu Pater da Costa und
den beiden Polizisten hinunter. »Falls es Sie interessiert
– es soll Albert Schweitzers Lieblingsstück gewesen
sein.«
Niemand sagte etwas. Sie warteten,
und Fallon wandte sich wieder der Orgel zu. Es war schon lange her,
seit er gespielt hatte – und trotzdem schien es ganz
plötzlich erst gestern gewesen zu sein. Er zog die Register,
blickte zu Anna auf und gab diese und jene Erklärungen ab. Sie
konnte nicht das leicht sardonische Lächeln in seinen Mundwinkeln
sehen, aber etwas von diesem Lächeln vibrierte in seiner Stimme
mit.
Sie legte eine Hand auf seine Schulter und sagte: »Sehr in teressant.«
Zu ihrem Entsetzen fuhr er leise fort: »Warum haben Sie sich eingemischt?«
»Ist das nicht offensichtlich? Superintendent Millers und des Inspektors wegen. Nun spielen Sie!«
»Gott vergebe Ihnen! Sie sind eine miserable Lügnerin.«
Fallon begann zu spielen. Und der
spielte mit so erstaunli cher Kraft und Meisterschaft, daß sich
Millers wilde Vermu tungen augenblicklich in Nichts auflösten.
Pater da Costa stand wie versteinert an den Chorschranken, ergriffen
von Fallons brillantem Spiel.
Miller tippte dem Pater auf die
Schulter und flüsterte ihm ins Ohr: »Exzellent! Aber meine
Zeit wird knapp. Können wir uns jetzt unterhalten?«
Pater da Costa nickte zögernd
und führte ihn in die Sakri stei. Fitzgerald folgte. Die Tür
knallte hinter ihm in einer plötzlichen Windbö zu.
Fallon hörte zu spielen auf. »Sind die gegangen?«
Ehrfurcht spiegelte sich in Anna da Costas Gesicht. Sie be
rührte seine eine Wange. »Wer sind Sie? Was sind Sie?«
»Eine höllische Frage.«
Er wandte sich wieder der Orgel zu und begann nochmals von vorn.
Pater da Costa saß auf der Tischkante.
»Zigarette, Sir?«
Fitzgerald brachte ein altes Silberetui zum Vorschein, und Pater da
Costa nahm sich eine, ließ sie sich anzünden.
Miller beobachtete ihn scharf. Die
massiven Schultern, das wettergegerbte Gesicht, den zerzausten Bart
– und plötzlich wurde ihm fast ärgerlich bewußt,
daß er diesen Mann eigent lich mochte. Und aus genau diesem Grund
beschloß er, so formell wie möglich zu sein.
»Nun, Superintendent?«
»Haben Sie seit unserem letzten Gespräch Ihre Meinung geändert, Sir?«
»Nicht im mindesten.«
Miller hatte Mühe, seine Wut zu unterdrücken.
Fitzgerald fragte sanft: »Sind
Sie seit heute morgen in ir gendeiner Form genötigt oder bedroht
worden, Sir?«
»Überhaupt nicht, Inspektor«, versicherte ihm Pater da Costa aufrichtig.
»Sagt der Name Meehan Ihnen irgend etwas, Sir?«
Pater da Costa schüttelte den
Kopf, die Stirn leicht run zelnd. »Nein, ich denke nicht. Sollte
er?«
Miller nickte Fitzgerald zu, der die
Aktentasche, die er bei sich hatte, öffnete. Er holte ein Foto
heraus, das er dem Priester überreichte.
»Jack Meehan«, sagte er.
»Für seine Freunde Dandy Jack. Das Foto wurde in London
aufgenommen, auf den Stufen des Polizeipräsidiums im West End,
letztes Jahr. Es ging um eine Schießerei im East End. Man hatte
ihn mangels Beweisen freigelassen.«
Meehan – er trug wie
üblich seinen doppelreihigen Mantel – lächelte der Welt
breit ins Gesicht, mit dem Hut in der rechten Hand winkend, den linken
Arm um die Schultern eines wohlbekannten Mannequins gelegt.
»Das Mädchen dient nur
Publicity-Zwecken«, sagte Fitzge rald. »In sexuellen
Hinsicht geht sein Geschmack in anderer Richtung. Was auf dem Blatt
steht, das an die Rückseite des Fotos geheftet wurde, ist alles,
was wir offiziell von ihm haben.«
Pater da Costa las interessiert. Jack
Meehan war fünfzig. Er hatte sich 1943, mit achtzehn, der Royal
Navy angeschlossen, bis 1945 auf einem Minenräumboot gedient,
wurde dann zu einem Jahr Haft verurteilt, weil er einem Maat bei einer
Schlägerei den Kiefer gebrochen hatte, mit Schande entlassen.
1948 hatte er sechs Monate wegen einer
unbedeutenden Schmuggelaffäre gesessen, 1954 war die Anklage wegen
einer Postraubverschwörung mangels Beweisen fallengelassen worden.
Seitdem war er über vierzigmal mit Straftaten in Verbindung
gebracht und von der Polizei verhört worden.
»Sie scheinen nicht viel Erfolg zu haben«, sagte Pater da Costa mit einem feinen
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