Die Mordwespen (Orion 12)
Cliff.
Arlene hob den Glasstab an und versuchte, das Insekt umzudrehen. Die Wespe klammerte sich an den Stab, aber ihre Beine rutschten immer wieder ab. Arlene schob das Ende unter den Körper der Wespe und gab dem Material einen kleinen Ruck; das Insekt wurde herumgewirbelt und kam auf die Füße. Es bewegte sich zögernd und spielte mit den Fühlern. Der Stab wurde aus dem Kasten gezogen, und die Partner gingen einige Meter zurück.
»Ich muß mich noch immer an die Vorstellung gewöhnen, daß die Wespen auf diesem Planeten erst dann zu stechen beginnen, wenn man sie reizt.«
Cliff nickte schweigend.
Die Flügel, die Charger mit einem einzigen Schnitt eines Skalpells abgetrennt hatte, waren nur noch einen Zentimeter lang. Das Insekt konnte nicht mehr fliegen.
»Jetzt!« schrie Helga. »Signale!«
Marios Finger hob sich von der Taste. Das Band lief an, und das Mikrophon fing den Ultraschall auf und leitete ihn weiter. Jeder einzelne Impuls wurde von dem spezialgeschalteten Recorder festgehalten. Es dauerte etwa hundertzwanzig Sekunden, bis die Wespe ihre unhörbaren Hilferufe einstellte.
»Jetzt müssen wir warten«, sagte Charger. »Überhaupt haben wir in den letzten Wochen das Warten als einzige Beschäftigung betrieben.«
Cliff grinste ihn an.
»Warten macht reifer«, sagte er. »Warten wir also.«
Dann hörten sie das Summen von mehreren Wespen, die aus der Richtung kamen, in die vor drei Stunden die Rettungskolonne geflogen war. Es dauerte nur Sekunden, bis die Insekten den Kasten umschwirrten. Er schien sie zu irritieren, da er nicht Bestandteil der Landschaft war.
Helga flüsterte:
»Wie erzeugen die Wespen eigentlich den Ultraschall?«
Charger erwiderte so nahe an ihrem Ohr, daß es zu kitzeln schien:
»Sie fahren mit ihren Beinen entlang einer Hornleiste mit Vorsprüngen. Wie eine Säge, die auf einem Stück federnden Stahles bewegt wird. Das geht so schnell vor sich, daß wir meistens nicht einmal die Bewegungen sehen.«
Helga steckte einen Finger ins Ohr und bewegte ihn heftig.
»Ich verstehe!« sagte sie. »Einen herzlichen Dank!«
Inzwischen war das Betasten der Insekten beendet. Wieder schwirrten vier der zehn Insekten hoch und zogen enge Kreise um die Öffnung des Kastens. Die anderen sechs schwebten hoch wie Miniaturausgaben von Teamhelikoptern und schleppten die flugunfähige Wespe nach sich. Sie hing mit ausgestreckten Beinen zwischen den sechs anderen. Der Zug verschwand in der Ferne.
»Unglaublich!« sagte Hasso und schaltete den Recorder ab. »Ich nehme das Ding mit ins Schiff.«
Das Kabel war bereits gelegt worden.
»Und wir holen den Sender hierher«, sagte Atan. Er und Mario liefen hinter Hasso zum Schiff zurück und kamen nach kurzer Zeit mit dem zusammengesetzten Sender zurück. Ein zweites Kabel war gezogen worden, und die Männer stellten in Eile die nötigen Verbindungen her.
»Wir räumen ab, Arlene«, bestimmte Charger.
Eine Viertelstunde später stand der Sender, von einem durch Preßluft aufgeblasenem Kunststoffballon geschützt, vor dem Schiff. Man erkannte durch die innen mattierte Blase die Umrisse der Aggregate. Die Tonleitung und das Energiekabel verschwanden im Schiff; sie waren in einer Spezialfassung neben der Schleuse des Zentrallifts angeschlossen. Die sieben Terraner befanden sich in der Kommandokanzel und hatten sämtliche Schirme und Systeme eingeschaltet, die das Bild der Umgebung zeigten.
»Abfahren?«
Helga Legrelle hatte das Band auf den Tellern ihres Funkpultes eingelegt und steuerte die Experimente.
Cliff sah auf die Uhr.
»Ja. Fahr das Band ab.«
»Psst!« machte Atan und kicherte.
Unhörbar, aber durch die eingeschalteten Spezialgeräte sichtbar gemacht, raste der am meisten untypische Funkspruch aus der Sendeantenne, der jemals an Bord eines Flottenschiffes abgegeben worden war. Hundertzwanzig Sekunden lang, dann spulte Helga Legrelle das Band rasend schnell zurück und ließ den Notruf der verwundeten Wespe ein zweitesmal durchlaufen.
Fünfhundert Sekunden später:
»Mein Gott!« sagte Arlene fassungslos. »Das darf es doch nicht geben!«
Aus allen Richtungen kamen Wespen. Zehnergruppen, Hunderte und Tausende. Sie flogen niedrig über dem Boden und fanden die Schallquelle. Sie prallten von allen Seiten gegen den Plastikballon, fielen herunter und hingen wie Trauben an dem Gewebe.
»Das sind Zehntausende«, sagte Charger.
Zwischen dem Schiff und dem aufgestellten Sender wogte eine ungeheure Menge von Mordwespen hin und her. Es
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