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Die Morgengabe

Die Morgengabe

Titel: Die Morgengabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ibbotson
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störte die sonntägliche Stille. Beherzt stieß sie
die blaue Tür auf und trat in den Garten dahinter.
    «Es ist wahrscheinlich wegen der Essensgebote», sagte Verena
beschwichtigend zu Frances. «Sie ist Jüdin, wissen Sie. Aus Wien. Vielleicht
nahm sie an, daß wir Schweinefleisch essen.» Und sie lachte herzlich über die
seltsamen Grillen der Ausländer.
    Pilly und Sam, die im Salon Sherry
tranken, sahen Verena zornig an. «Ruth macht wegen des Essens überhaupt kein
Theater, das weißt du ganz genau. Außerdem ist sie katholisch erzogen worden.»
    Sehr geschickt war diese
Verteidigung allerdings nicht, da nun keiner wußte, was man sonst als
Entschuldigung für Ruth vorbringen sollte. Frances gab sich dennoch mit
Verenas Erklärung des koscheren Essens zufrieden und bemerkte, mit dem
Stallknecht, der bei Lady Rothley gearbeitet habe, sei es genauso gewesen. «Wir
hätten ihr sicher irgend etwas anderes servieren können. Ein Omelett zum Beispiel.»
    Lady Plackett verbrachte den Tag bei
Verwandten in Cumberland, aber Verena hatte Frances Somerville zur Kirche
begleitet und bemühte sich nun, in Kaschmir-Twinset und Perlenkette, ihren
Kommilitonen die Befangenheit in der ungewohnten Umgebung zu nehmen. Sie hatte
Sam und Huw bereits daran gehindert, selbst ihre Jacken aufzuhängen, und ihnen
erklärt, daß es dafür einen Butler gab, und als die jungen Leute sich zu Tisch
setzten, behielt sie jene im Auge, von denen sie vermutete, sie könnten mit der
Handhabung des Bestecks auf Kriegsfuß stehen. In Bowmont begnügte man sich
heute zwar mit einem Minimum an Personal, aber Verena konnte sich gut
vorstellen, daß diejenigen unter den Studenten, die aus kleinen Verhältnissen
kamen, sich angesichts des Dieners in Schwarz und des Mädchens mit Schürze und
Häubchen eingeschüchtert fühlten, und da Dr. Felton sich mit Frances Somerville
unterhielt und Dr. Sonderstrom Quin von ihrer jüngsten Reise nach Lappland
erzählte, nahm Verena es auf sich, freundliche Konversation zu machen.
Selbstverständlich kümmerte sie sich auch um ihren Protegé Kenneth Easton. Es
stand natürlich überhaupt noch nicht zur Debatte, ihn ins Haus ihrer Eltern
einzuladen, und sie hätte ihn nicht gern im Kampf mit einer Artischocke
gesehen, aber wenn man seine Herkunft bedachte, hielt Kenneth sich recht gut.
    Den Kaffee nahmen sie im Salon ein,
und dann stand Quin auf, empfahl seinen Schützlingen eine Partie Krockett oder
ein Tennismatch auf dem ziemlich holprigen Rasenplatz und verschwand mit Roger
Felton und Elke Sonderstrom in der Bibliothek.
    «Möchte jemand vielleicht einen
Rundgang durchs Haus machen?» fragte Frances.
    Mehrere Studenten zeigten Interesse,
doch ehe die Gruppe aufbrechen konnte, sagte Verena mit angemessenem Respekt:
«Wäre es Ihnen recht, wenn ich die Führung übernehme, Miss Somerville?
Sie würden sich doch jetzt sicher gern ein wenig Ruhe gönnen.»
    Flüchtig runzelte Frances die Stirn.
Aber sie selbst hatte Verena ja eingeladen, sich wie zu Hause zu fühlen; das
Mädchen wollte sich gewiß nur nützlich machen.
    «Sehr schön – aber natürlich nicht
den Turm.» Damit ging sie hinaus, ohne sich bewußt zu sein, daß sie eine sehr
verärgerte Gruppe von Studenten zurückließ. Sie ging jedoch nicht nach oben, um
sich hinzulegen. Sie ging in den Keller, um einen Beutel Knochenmehl und die
Blumenzwiebeln zu holen, die am Tag zuvor angekommen waren, und machte sich auf
den Weg zum Garten.
    Als Frances die Tür in der hohen Mauer öffnete, sah sie zu ihrem
Mißvergnügen, daß sie nicht allein war. Ein junges Mädchen stand an der
Südwand. Sie stand mit dem Rücken zu ihr und hatte einen Arm zu einem
blütenschweren Zweig der Autumnalis-Rose erhoben, die sich an der Mauer
emporrankte. Frances machte einen zornigen Schritt vorwärts, um ihren Unmut
kundzutun, und sah, daß das Mädchen gar nicht die Absicht hatte, eine Rose zu
stehlen, sondern dabei war, einen lang herabhängenden Trieb im Spalier zu
verankern, ehe sie erneut die Nase im köstlichen Duft der üppigen tief rosa
Blüten vergrub.
    «Was tun Sie hier?» sagte sie,
keineswegs versöhnt durch diese Würdigung einer ihrer Lieblingspflanzen.
    Das Mädchen fuhr erschrocken herum,
jedoch Frances' Meinung nach nicht angemessen eingeschüchtert. «Oh,
entschuldigen Sie. Professor Somerville sagte, wir könnten uns hier frei
bewegen, aber ich sehe ein, daß das hier etwas anderes ist. Der Garten ist ja
beinahe ein privater kleiner Raum, nicht? Ein hortus

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