Die Morgengabe
conclusus. Nur das
Einhorn fehlt.»
«Das wird auch weiterhin fehlen», versetzte
Frances unwirsch. «Die Schafe richten genug Schaden an, wenn sie hereinkommen.»
«Ich gehe gleich», versprach Ruth.
«Aber er ist wirklich unwahrscheinlich schön, dieser Garten. So geschützt ...
so in sich geschlossen und so üppig ... Diese Rosen! Wie sie blühen! Als wäre
es noch Sommer. Und diese silbrig schimmernde Pflanze da mit den Blättern, die
wie Federn aussehen – ich weiß nicht, wie sie heißt.»
«Wermut», sagte Frances immer noch
mit unwillig gefurchter Stirn.
«Ach, es ist eine Zauberwelt. Dieser
Garten hier direkt am Meer ... Beides zu haben ... Oh, und Ihr Schal!»
«Was reden Sie da?» Frances
überlegte, ob das Mädchen vielleicht nicht ganz richtig im Kopf sei. Sie
starrte den Schal um ihren Hals so beglückt an wie zuvor die weißen Sterne
einer spät blühenden Klematis.
«Er ist wunderschön!» rief Ruth,
plötzlich richtig glücklich. «Ich habe ihn an dem Hominiden in Professor
Somervilles Zimmer gesehen, aber an Ihnen sieht er viel besser aus.»
«Unsinn! Dieses alte Ding. Es
wundert mich, daß Quin überhaupt daran gedacht hat, ihn mit herzubringen.»
Nun jedoch mußte sie der Tatsache
ins Auge sehen, daß sie die Studentin vor sich hatte, die sich geweigert hatte,
zum Mittagessen zu kommen. Wie viele Frauen ihrer Generation hatte Frances als
junges Mädchen ein halbes Jahr in Florenz verbracht, um den «letzten Schliff»
zu bekommen. Es war ihr schwergefallen, zwischen Tizian und Tintoretto zu
unterscheiden, und das Klima hatte ihr zu schaffen gemacht. Aber sie hatte von
diesem Aufenthalt doch genug behalten, um zu sehen, daß dieses fremde Mädchen
trotz ihrer dunklen Augen in die Tradition all der Primaveras und
blumenbekränzten Göttinnen gehörte, die die Maler gern beim heiteren Spiel im
grünen Hain zeigten. Hätte sie sich wirklich eine Rose abgerissen und ins Haar
gesteckt, es hätte gepaßt. Als jüdische Kellnerin jedoch, für die besonders
gekocht werden mußte, war sie nicht zufriedenstellend.
«Sie sind wohl die kleine
Österreicherin? Die mit den Eßschwierigkeiten?»
«Ich glaube nicht, daß ich Eßschwierigkeiten
habe», entgegnete Ruth verwirrt. «Obwohl ich ehrlich sagen muß, daß ich Kutteln
nicht besonders mag.»
«Miss Plackett erklärte uns, daß Sie
kein Schweinefleisch essen. Es ist sehr töricht von Ihnen zu glauben, daß man
Sie hier zwingen würde, etwas zu essen, das Sie nicht essen möchten. Sie hätten
jederzeit ein Omelett haben können.»
Sie ging in die Knie und begann, ein
Fleckchen Erde für ihre Zwiebeln zu bereiten, und Ruth kniete neben ihr nieder,
um ihr zu helfen.
«Aber ich esse Schweinefleisch sehr
gern. Das hat es bei uns zu Hause in Wien oft gegeben – meine Mutter macht es
mit Kümmel; es schmeckt köstlich.»
Frances zupfte ein Grasbüschel aus
der Erde. «Ich dachte, Sie seien ein jüdischer Flüchtling», sagte sie mit einer
Spur Verdrossenheit im Ton, da ihr schon klar war, daß wieder einmal nicht
alles so einfach sein würde; wie bei Ann Rothleys blondem Stallknecht, der
eigentlich Opernsänger war.
«Ja, das bin ich wohl auch. Ich bin
fünf Achtel Jüdin, wissen Sie–oder vielleicht auch drei Viertel – wir wissen es
nicht ganz genau, weil Esther Olivares Jüdin gewesen sein kann, aber genausogut
auch Spanierin. Sie war aus Valencia und ist immer in einem Schal gemalt
worden. Das kann ein Gebetsmantel gewesen sein, aber es kann auch einfach das
Tuch gewesen sein, das sie immer umgelegt hat, wenn sie zum Stierkampf gegangen
ist. Aber meine Mutter ist katholisch, und wir haben nie koscher gegessen.» Sie
riß ein Farnkraut aus und warf es auf das Häufchen Unkräuter. Sie drehte den
Kopf und sah Frances an. «Soll ich lieber aufhören zu reden? Ich kann auch
still sein, wenn Sie möchten. Ich muß mich nur darauf konzentrieren.»
Frances sagte, es sei ihr gleich,
und reichte ihr den Beutel mit dem Knochenmehl.
«Dieser Garten ist wirklich
unglaublich schön», sagte Ruth nach einer kleinen Pause. «Wer ihn angelegt hat,
muß ein guter Mensch gewesen sein.»
«Ja. Sie
war Quäkerin.»
«Wer mit Liebe im Garten arbeitet,
kann gar nicht böse sein, nicht wahr? Eigensinnig vielleicht, oder mürrisch und
eigenbrötlerisch, aber nicht böse. Ach, schauen
Sie doch den wilden Wein an! Ich habe den Oktober immer geliebt. Sie nicht?
Diese Farbenpracht. Soll ich einen Schubkarren holen?»
«Ja, er ist drüben hinter der Laube.
Und
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