Die Morgengabe
bei ihm hinterlassen, und es war jetzt in seiner
Rolle als Maskottchen der Studenten fest etabliert. In sein kleines Boot ließ
Quin das Hündchen nicht hinein, aber die Peggoty war ein solider Fischkutter,
auf dem es sogar eine Art Kabine gab, in der der Eigentümer, von dem Quin sie
jedes Jahr mietete, sonst sein Gerät und seine Netze verstaute. Dort konnte man
den Hund einsperren, wenn man an Land ging.
Roger Felton war nicht mitgekommen;
er wollte die Funde vom vergangenen Tag sortieren. Quin war am Steuer, hielt
auf eine der kleineren Inseln zu. Der Verwalter dort erwartete sie, um ihnen
alles zu zeigen. Die spektakuläre Brutzeit im Frühjahr hatten sie verpaßt; da
waren die Felsen weiß von nistenden Lummen und Tordalken. Jetzt waren andere
Gäste da: Goldhähnchen und Feldlerchen und Ammern – und Robben, zu Hunderten,
die jetzt zurückkehrten, um ihre Jungen zur Welt zu bringen.
Sie passierten den Leuchtturm von
Longstone, und der Wärter, der gerade sein Gemüsegärtchen umgrub, richtete sich
auf, um ihnen zuzuwinken.
«Da ist Grace Darling hergekommen,
nicht wahr?» bemerkte Sam, der gerade dachte, wie ähnlich Ruth mit ihrem im
Wind flatternden Haar dieser Heldin viktorianischer Zeiten sah.
Quin nickte. «Die Harcar-Felsen sind
im Süden, wo die Forfarshire aufgelaufen ist. Wir werden sie auf der
Rückfahrt sehen.»
«Mrs. Ridleys Großmutter hat sie
noch gekannt. Ist das nicht interessant», sagte Ruth. «Sie hat erzählt, nicht
die Tuberkulose hätte sie eigentlich umgebracht, sondern vielmehr der Wirbel,
den hinterher alle um sie gemacht haben, als sie sie zur Heldin hochjubelten.
Ich hätte nichts dagegen, zur Heldin hochgejubelt zu werden – mich würde das
nicht umbringen.»
Daran zweifelte Quin nicht. «Wie
haben Sie denn Mrs. Ridleys Großmutter kennengelernt?» erkundigte er sich
neugierig. «Sie lebt doch sehr zurückgezogen.»
«Ich war dort, um Eier zu holen, und
da sind wir ins Reden gekommen.»
Sie waren dem Ufer schon sehr nahe,
als es geschah. Elke Sonderstrom war in die Kabine hinuntergegangen, um ihnen
ihre Sachen heraufzureichen. Quin behielt die Landspitze im Auge, während er
auf den Steg auf der anderen Seite zuhielt.
Was passierte, war zunächst nur
komisch. Ein mächtiger Robbenbulle tauchte plötzlich etwa anderthalb Meter vom
Boot entfernt auf der der Insel zugewandten Seite aus dem Wasser empor. Das
Hündchen, das auf einem Stapel Segeltuch gedöst hatte, hob neugierig den Kopf.
Der Robbenbulle nieste.
Wie von der Tarantel gestochen,
sprang das Hündchen auf und begann aufgeregt zu bellen. Es kletterte zum Rand
des Boots hinauf. Unglaublich, was es da sah – einen Vorfahr vielleicht? Ein
Ungeheuer? Sein Gebell wurde noch aufgeregter. Es versuchte füßescharrend, sich
an der Bordwand hochzuziehen.
Das Boot neigte sich scharf zur
Seite. Und innerhalb einer Sekunde war es geschehen – innerhalb einer jener
Sekunden, von denen man einfach nicht glauben will, daß sie nicht rückgängig zu
machen sind.
«Es ist reingefallen! O Gott! Das
Hündchen ist über Bord.»
Quin sah sich um und versuchte, die
Chancen des Tieres abzuschätzen. Die See war ruhig, aber die Tide lief hier
mit fünf Knoten. Entweder gegen die Felsen geschleudert oder am Boot vorbei ins
offene Meer hinausgetrieben zu werden, das waren die Alternativen. Dennoch
begann er, das Boot zu wenden, es in den Wind zu steuern.
Keiner hätte sich träumen lassen,
daß dies nur der Anfang war. Ruth war impulsiv, aber sie war nicht verrückt.
Elke Sonderstrom kam gerade aus der Kabine herauf, sie war zu weit weg, um
etwas zu sehen; die anderen hingen über die Bordwand und versuchten, den Kurs
des kleinen Hundes zu verfolgen, der wild rudernd mit den Wellen kämpfte,
verschwand und wiederauftauchte, verschwand und wiederauftauchte. Erst als
Pilly zu schreien begann, sahen sie es. Sahen Ruths erschrockenes Gesicht, als
die Strömung sie erfaßte, sahen, wie sie den Kopf drehte, nicht mehr jetzt, um
nach dem Hündchen zu suchen, sondern um die beängstigende Geschwindigkeit zu
messen, mit der die See sie davontrug.
Die nächsten Sekunden waren für Quin
der reinste Alptraum. Er zwang sich, ruhig zu bleiben, zu warten, bis er das
Boot voll in den Wind gedreht und den Motor ausgeschaltet hatte. Er zwang sich,
am Steuer zu bleiben, bis er sich darauf verlassen konnte, daß die Peggoty nicht
abgetrieben und nicht kentern würde.
«Halten Sie das Boot genau so»,
befahl er Verena. «Tun Sie nichts anderes.» Sie
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