Die Morgengabe
für das einfachste
gehalten, mit Ruth persönlich zu sprechen, und hatte das Quin auch gesagt. «Es
wäre am vernünftigsten, wenn ihr zusammen kämt, aber wir können wohl nicht
vorsichtig genug sein.»
Denn auf die Einbürgerung folgte der
nächste Schritt – die Nichtigkeitserklärung. Zu diesem Zweck war ein
umfangreiches Dokument vorbereitet worden, das von beiden Parteien vor einem
Notar unterzeichnet werden mußte. Diese eidesstattliche Erklärung sollte dann
dem Gericht in der Hoffnung vorgelegt werden, daß sie in die Hände eines
Richters gelangte, dem sie genügen würde, um die Ehe für nichtig zu erklären,
ohne weitere Beweise zu verlangen. Ob es sich tatsächlich so entwickeln würde,
war nicht vorauszusehen, da die Verfahrensordnung für die Nichtigkeitserklärung
von Ehen mit im Ausland geborenen Staatsbürgern derzeit revidiert wurde.
Als Mr. Proudfoot Ruth zum erstenmal
sah, stand sie mit dem Rücken zu ihm in seinem Vorzimmer und betrachtete ein
kleines Aquarell, das dort an der Wand hing.
Das Sonnenlicht fiel schräg durch das Fenster direkt auf ihr Haar, so daß er
als erstes diese flammende Pracht sah und sich augenblicklich wappnete.
Mr. Proudfoot war für weibliche Reize äußerst empfänglich und hatte einmal in
der Great Portland Street seinen Wagen mitten in eine Telefonzelle gefahren,
weil er nur Augen für ein Mädchen gehabt hatte, das gerade aus einem der Häuser
kam. Er wußte, daß Enttäuschung wartet, wenn Frauen mit flammendem blonden Haar
sich umdrehen. Bestenfalls bekam man Mittelmäßigkeit zu sehen, schlimmstenfalls
eine scharfe, mißvergnügte Nase, einen verkniffenen Mund, denn Gott geht mit
seiner Fülle haushälterisch um.
«Miss Berger?»
Ruth drehte sich um – und eine
riesige Welle der Dankbarkeit überschwemmte Mr. Proudfoot, während gleichzeitig
seine Bewunderung für Quin als hochherzigen Retter der vom Schicksal
Geschlagenen deutlich zurückging. Es blieb nur Verwunderung darüber, daß Quin
es so eilig hatte, eine Frau loszuwerden, auf die die meisten Männer sich
gestürzt hätten.
«Ich finde dieses Bild wunderschön»,
sagte sie, nachdem sie ihm die Hand gegeben hatte. «Es hat etwas so
Freundliches – es erinnert mich an die Gegend, in der wir immer den Sommer
verbracht haben, an den Grundlsee.»
«Ah, ja. Das ist der Lake District;
die Landschaft ist wahrscheinlich ähnlich.»
«Wer hat das Bild gemalt?»
«Ich. Als Student. Ich habe mich
damals im Aquarellieren versucht. Ziemlich stümperhaft, wie Sie sehen», sagte
er, sich in britische Bescheidenheit zurückziehend.
Ruth gefiel das nicht. «Von
stümperhaft kann keine Rede sein», sagte sie vorwurfsvoll. «Das Bild ist
wirklich schön. Aber jetzt malen Sie wohl mehr die hiesige Gegend?»
«Nein. Ich habe seit Jahren keinen
Pinsel mehr in der Hand gehabt.»
«Aber warum denn nicht? Haben Sie
hier soviel zu tun?» fragte sie, während sie ihm in sein Zimmer folgte.
«Äh, ja – aber es ließe sich
wahrscheinlich schon Zeit finden. Man ist nur als Amateur so leicht entmutigt.»
Ruth runzelte die Stirn. «Nehmen Sie
es mir bitte nicht übel, aber ich halte das für ganz verkehrt. Ein Amateur ist
jemand, der eine Tätigkeit liebt. In allen Haydn-Quartetten gibt es eine Stimme
für einen Amateur – meistens die zweite Geige oder das Cello – und sie ist
genausoschön wie die anderen.»
Der Anblick des Dokuments jedoch,
das Mr. Proudfoot vorbereitet hatte, brachte Ruth jetzt zum Schweigen. Sie
brauchte ihre ganze Konzentration, um sich durch mehrere Seiten gotischer
Schrift und juristischen Jargons hindurchzukämpfen, aus denen hervorging, daß
sie niemals von Quinton Alexander St. John Somerville berührt worden war und
den Mann ihrerseits niemals berührt hatte.
«Ich weiß nicht, ob das klappen
wird, Miss Berger – manche Richter akzeptieren eine eidesstattliche
Versicherung ohne ärztliches Zeugnis nicht, und Quin möchte Ihnen so etwas
unbedingt ersparen.» Er wurde ein wenig rot.
«Ja, er ist so aufmerksam und
rücksichtsvoll. Gerade deshalb müssen wir alles tun, um diese
Nichtigkeitserklärung so schnell wie möglich durchzusetzen. Damit er jemand
anders heiraten kann.»
Proudfoot, der den Eindruck erhalten
hatte, Ruth sei diejenige, die es eilig hatte, war erstaunt.
«Möchte er denn jemand anders
heiraten?»
«Er vielleicht nicht, aber andere
Leute wollen es. Verena Plackett zum Beispiel.»
«Ich weiß nicht, wer Verena Plackett
ist, aber ich kann Ihnen versichern, daß
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