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Die Morgengabe

Die Morgengabe

Titel: Die Morgengabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ibbotson
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Seitentür klemmt.»
    Frances folgte ihr widerstrebend.
Jetzt würde sie sich einer Einladung zum Tee nicht mehr entziehen können.
Ausländer hatten keine Ahnung, wie man ihn richtig zubereitete, und wahrscheinlich
würde man von ihr auch noch erwarten, daß sie irgend etwas ekelhaft Süßes mit
einem Löffel aß.
    Mishak kniete in seinem
Kartoffelbeet, und als er sich aufrichtete und ihnen zuwandte, ergriff Frances
eine tiefe Enttäuschung. «Ich bin gekommen, um Sie zu holen», hatte er zu
Marianne gesagt und dabei seine Aktentasche geöffnet und seinen Hut gelüftet,
und sie hatte sich einen eleganten kleinen Mann in einem teuren Mantel
vorgestellt, einen Mann von Welt. Dieser Mann hier jedoch war ein alter
Flüchtling, ein Ausländer in einem verknitterten Jackett, mit einer Schirmmütze
auf dem Kopf, schäbig, arm, fremdartig. Sie mußte sich zwingen, näher zu ihm
hinzugehen.
    Leonie erklärte, warum sie gekommen
waren, und Mishak stand auf und lehnte seinen Spaten an den Zaun.
    «Herbstzeitlosen?» wiederholte er.
«Ruth hat mir erzählt, wie sie bei Ihnen unter dem Kirschbaum wachsen.»
    Er nahm den Karton und teilte die
Holzwolle. Seine Hände, die nach den Zwiebeln suchten, waren erdbraun, kantig,
mit kurzen Fingern. Hände, die pflanzten und gruben, die hämmerten und
zimmerten. Doch nicht so ausländisch; doch nicht so fremdartig …
    «Ja», sagte Mishak und nahm eine der
Zwiebeln zur Hand. «Ich erinnere mich ganz deutlich an sie!» Er dankte ihr
nicht einmal; er lächelte nur.
    Der Tee
war ausgezeichnet,
aber Frances konnte nicht bleiben.
    «Ich muß
noch einkaufen», sagte sie verdrossen.
    Leonies
Augen leuchteten auf. «Wohin gehen Sie?»
    «Zu
Fortnum's.»
    «Ach, das
ist ein herrliches Geschäft», sagte Leonie sehnsüchtig.
    «Kaufen Sie
ein Kleid?»
    Frances
nickte. «Und Schuhe.»
    «Was für
Schuhe?» Mishak hatte die Frage gestellt, und Frances sah ihn
schockiert an.
    «Ich kauf
immer die gleichen», antwortete sie kurz. «Knopfschuhe mit
niedrigem Absatz.»
    «Nein»,
sagte Mishak.
    «Pardon?»
Frances wollte ihren Ohren nicht trauen.
    «Keine
Knopfschuhe. Keine niedrigen Absätze», erklärte Mishak. «Fortunati-Pumps
mit einem kubanischen Absatz, aus Wildleder. Aus
den Mailänder Werkstätten; sie arbeiten mit einem besonderen
Leisten.»
    Leonie
nickte. «Mishak weiß Bescheid. Er hat viele Jahre im Warenhaus
meines Vaters gearbeitet.»
    Das konnte
Frances nicht beschwichtigen. «Ganz sicher kaufe ich mir
keine solchen Schuhe. Es würde mir nicht im Traum einfallen. Ich trage seit Jahren
immer die gleichen Schuhe und habe nicht die geringste Absicht, daran etwas zu
ändern.»
    «Sie haben einen hohen Rist; das ist
ein Geschenk», sagte Mishak. Er griff in seine Tasche, um seine Pfeife
herauszuholen, erinnerte sich, daß sie mit den Zigarrenstummeln gestopft war,
die Ziller aus dem ungarischen Restaurant mit nach Hause gebracht hatte, und
ließ es bleiben.
    «Im übrigen sieht dort oben sowieso
niemand, was ich anhabe», sagte Frances immer noch unwirsch.
    «Gott sieht es», entgegnete Mishak.
    Ruth, die spät von der Universität nach Hause kam, hörte
von Frances Somervilles Besuch und war augenblicklich wie verwandelt. «Oh, was
hat sie erzählt? Sag doch, Mishak – du mußt mir alles genau berichten. Hat sie
dir von ihrem Garten erzählt?»
    «Ja. Sie haben dort oben einen
harten Winter gehabt, aber die Enziane kommen jetzt schon heraus, und die
Magnolien blühen.»
    «Hat sie etwas davon gesagt, ob sie
nun dieses Stück an der Südwand bei der Sonnenuhr verglasen läßt? Sie wollte
sehen, ob sie so hoch im Norden auch eine Kamelie züchten kann – alle haben
natürlich gesagt, das ginge nicht, und du kannst dir vorstellen, wie sie darauf
reagiert hat.»
    «Ich glaube, sie hat es vor, ja.»
    Er tauschte einen Blick mit Leonie.
Sie hatten Ruth seit Wochen nicht mehr so lebhaft gesehen.
    «Ach, Mishak, du hast keine Ahnung,
wie schön es dort oben ist. Es ist so sauber, und alles hat seinen eigenen, ganz
besonderen Geruch. Hat sie dir gesagt, ob Elsie sich für diesen Botanikkurs
angemeldet hat, den sie besuchen wollte?»
    «Nein, davon hat sie nichts gesagt.
Wer ist Elsie?»
    «Das Hausmädchen. Sie interessiert
sich wirklich für Pflanzen und ist unheimlich nett. Und wie geht es Mrs.
Ridleys Großmutter – ich hab dir von ihr erzählt –, sie hatte doch im Februar
ihren hundertsten Geburtstag.» Von plötzlichen Zweifeln geplagt, sah sie auf.
«Sie lebt doch noch, nicht wahr? Ganz

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