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Die Morgengabe

Die Morgengabe

Titel: Die Morgengabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ibbotson
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Studentinnen eingelassen hatte. Es war
töricht von ihr gewesen, sich einzubilden, daß Quin sich in diesem Stadium
öffentlich erklären würde. Und sie würde nicht einmal verlangen, daß er sie
heiratete, bevor sie in See stachen. Die Eheschließung würde selbstverständlich
von selbst folgen, wenn er sah, wie ideal sie zusammenpaßten, aber sie würde
sie nicht zur Bedingung machen.
    Frances kam im allgemeinen nur zweimal im
Jahr nach London; im November, um Weihnachtseinkäufe zu machen, und im Mai zur
Blumenschau in Chelsea. In diesem Jahr jedoch führte die Hochzeit ihrer
Patentochter sie Ende März schon nach London. Sie reiste unter Protest, nur
weil Martha nicht lockerließ und behauptete, sie brauche dringend ein neues
Kleid und ganz besonders neue Schuhe.
    «Unsinn», versetzte Frances. «Ich
habe erst für die Taufe bei den Godchesters neue Schuhe gekauft.»
    «Das war vor zwölf Jahren», sagte
Martha.
    Frances haßte es, für sich
einzukaufen, aber wenn es denn sein mußte, dann ging sie zu Fortnum's beim
Piccadilly Circus. Mürrisch packte sie Marthas Einkaufsliste ein und machte
sich mit Harris am Steuer in dem alten Buick auf die Fahrt nach Süden. Neben
ihr auf dem Rücksitz stand ein Karton, in dem in Holzwolle eingebettet ein
Dutzend Blumenzwiebeln lagen, die sie nach einigem Zögern am Vortag in ihrem
Garten ausgegraben hatte.
    Wenn Frances in London war, wohnte
sie niemals bei Quin, dessen Wohnung für sie etwas leicht Anrüchiges hatte und
wo man, wie sie meinte, stets darauf gefaßt sein mußte, französischen
Schauspielerinnen oder Tänzerinnen zu begegnen. Sie pflegte mit ihm zu essen,
aber sie wohnte im Brown's Hotel, wo immer alles gleichblieb. Harris
schickte sie zu seiner verheirateten Schwester nach Peckham.
    Sie hatte ihren Tag sorgfältig
geplant, doch als sie am nächsten Morgen zu Harris in den Wagen stieg, war sie
selbst überrascht von den Anweisungen, die sie ihm gab.
    «Fahren Sie mich nach Belsize Close
Nummer 27», sagte sie. Harris zog die Augenbrauen hoch. «Das ist in Hampstead,
nicht wahr?»
    «Beinahe. Es ist in der Nähe von
Haverstock Hill.»
    Wieso das? dachte Frances, die ihren
Impuls bereits bereute. Heute abend würde sie Quin sehen – warum ließ sie die
Zwiebeln nicht einfach über ihn an Ruth weiterleiten?
    Je weiter sie nach Norden kamen,
desto schäbiger und ärmlicher wurden die Straßen, und als Harris anhielt, um
nach dem Weg zu fragen, erhielten sie ihre Anweisungen von einem wild
gestikulierenden Ausländer mit einem großen schwarzen Hut, dessen Englisch
kaum zu verstehen war. Das Haus Nummer 27 war alles, was sie befürchtet hatte:
ein heruntergekommenes Mietshaus mit ungestrichener Haustür und morschen
Fensterrahmen. Eine Katze war dabei, die Mülltonnen zu plündern; die
Pflastersteine des Bürgersteigs waren gesprungen.
    «Ich bin gleich wieder da», sagte
sie zu Harris und ging die kurze Treppe hinauf.
    Leonie, die die Ruhe ihres
Wohnzimmers genoß, da Heini ausnahmsweise außer Haus war, hörte die Glocke,
ging nach unten und sah eine ihr unbekannte, hagere
Frau im burgunderroten Tweedkostüm und hinter ihr eine unverkennbar teure, wenn
auch sehr alte Limousine mit uniformiertem Chauffeur.
    «Kann ich Ihnen behilflich sein?»
fragte Leonie und fügte plötzlich hinzu: «Sind Sie vielleicht die Tante von
Professor Somerville?»
    «Du meine Güte, woher wissen Sie denn das?»
    «Da ist eine Ähnlichkeit – und Ruth
hat mir von Ihnen erzählt. Bitte, kommen Sie herein.» Plötzlich geriet sie in
Panik angesichts des unerwarteten Besuchs: «Es ist doch nichts passiert? Es
geht dem Professor doch gut? Und Ruth auch?»
    «Aber ja», antwortete Frances
Somerville ungeduldig und fragte sich wieder, weshalb sie gekommen war. Das
Haus war schrecklich: abgetretenes Linoleum, ein ekelhafter Geruch nach
billigem Desinfektionsmittel ... «Ich habe ein paar Blumenzwiebeln für ihren
Onkel mitgebracht. Sie sind doch Mrs. Berger, nicht wahr? Ruth sagte, daß er
Herbstzeitlosen liebt, und ich habe mehr als genug davon. Würden Sie sie ihm
bitte geben?»
    «Für Mishak?» Leonie strahlte. «Ach,
da wird er sich aber freuen. Er ist jetzt im Garten, Sie müssen sie ihm selbst
hinausbringen – er wird Ihnen danken wollen. Und ich mache uns inzwischen eine
Tasse Kaffee. Nein, Tee natürlich – das vergesse ich immer.»
    «Nein, vielen Dank. Ich kann nicht
bleiben.»
    «Aber Sie müssen! Zuerst zeige ich
Ihnen den Garten. Am besten gehen wir durchs Haus, denn die

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