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Die Morgengabe

Die Morgengabe

Titel: Die Morgengabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ibbotson
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weltlichen
Güter sollen auch dein sein.» Seine Stimme war jetzt ruhig. Es war beinahe
vorbei.
    «Das Gebet lassen wir weg», sagte
der Konsul und intonierte dann mit angemessener Feierlichkeit und düsterem
Nachdruck die Schlußformel: «Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch
nicht scheiden.»
    Es war vorbei. Sie unterzeichneten
die Urkunde, Quin bezahlte, was er schuldig war, gab den Zeugen ein Trinkgeld,
warf eine Spende für die Waisen des Spanischen Bürgerkriegs in den Sammelkasten.
    «Kommen Sie um vier Uhr wieder, dann
ist Ihr neuer Paß fertig, in den auch Ihre Frau eingetragen wird, und das Visum
für Ihre Frau ebenfalls.»
    Ruth schaffte es bis zur gekiesten
Auffahrt hinaus, ehe sie in Tränen ausbrach.
    «Um Himmels willen, Ruth, was ist
denn los? Jetzt ist doch alles vorbei. Morgen abend sind Sie bei Ihrer
Familie.»
    Sie schneuzte sich und schüttelte
den Kopf, daß ihre Haare flogen. «Warten Sie nur! Wir sind bestimmt auf ewig
verflucht!»
    «Verflucht? Was reden Sie da? Ein
bißchen weniger Altes Testament, bitte!»
    «Sehen Sie, da haben wir es schon –
jetzt werden Sie auch noch antisemitisch.»
    «Nehmen Sie es mir nicht übel, aber
ich finde wirklich, jetzt wäre der Moment, sich an der Ziegenhirtin zu
orientieren und nicht an irgendeinem finsteren alten Rabbi. Was soll das
heißen, wir sind verflucht?»
    «Wegen der Wörter. Weil wir diese
Worte vor Zeugen ausgesprochen haben. Ich hatte keine Ahnung, daß sie so stark sind. Und das mit den weltlichen Gütern, die Sie mit mir teilen, hätten Sie
auch nicht sagen sollen. Ich meine, selbst wenn wir uns mit dem Leib lieben
würden, wäre ja immer noch Morgan zu berücksichtigen.»
    «Natürlich. Ich dachte mir doch, daß
wir noch einmal von Morgan hören würden. Was soll dieses Theater, Ruth, hm? Sie wissen doch, was Hitler für ein
Mensch ist, und Sie wissen, daß es eine andere Möglichkeit nicht gab.»
    «Ich hätte schwarz über die Grenze
gehen sollen. Ich hätte nicht zulassen sollen, daß Sie lauter Meineide
schwören.»
    Quin war mit seiner Geduld fast am
Ende. Es kostete ihn Anstrengung, mit seiner Meinung über ihre geplante
Bezwingung der Kanderspitze hinter dem Berg zu halten. «Kommen Sie, jetzt gehen
wir erst mal ins Imperial und tun uns an zwei riesigen Schnitzeln gütlich. Nach
so was können Sie nämlich in London lange suchen.»
    «Ich kann in diesen alten Sachen
nicht ins Imperial. Und wenn ich gesehen werde ...»
    Quins Arroganz war gänzlich
unbewußt. «Jetzt kann Ihnen nichts mehr passieren. Sie sind jetzt britische
Staatsbürgerin – und in meiner Obhut.»
    Die Schnitzel waren ein Erfolg. Als sie das
Restaurant verließen, war ihr Haar trocken und umgab ihr Gesicht auf eine etwas
wirre, aber durchaus heiter reizvolle Art. Er hatte bereits festgestellt, daß
es eine Art Stimmungsbarometer war.
    «Wir haben noch drei Stunden Zeit.
Was möchten Sie an Ihrem letzten Nachmittag in Wien unternehmen?»
    Zu seiner Überraschung schlug sie
vor, mit der Straßenbahn an die Donau zu fahren. Er wußte, wie wenig der breite
graue Fluß, der sich in einem Bogen um die Industriegebiete vor der Stadt wand,
den Wienern tatsächlich am Herzen lag. Der melancholische Johann Strauß mit
seinem gefärbten Schnurrbart und seiner Unfähigkeit zu lächeln hatte zwar zu
Ehren des Flusses den berühmtesten Walzer der Welt geschrieben, aber die
gefährlichen Überschwemmungen der Donau hatten die Stadtbewohner schon vor
Jahrhunderten von ihren Ufern vertrieben.
    Als sie auf der Reichsbrücke
standen, war klar, daß Ruth auf Erinnerungsreise war.
    «Sehen Sie die kleine Bucht da
drüben, gleich neben dem Lagerhaus?»
    Er nickte.
    «Da hat mein Onkel Mishak früher
immer geangelt – das heißt, in Wirklichkeit ist er mein Großonkel. Das ist
Jahre her. Damals saß der Kaiser noch auf dem Thron, und Österreich-Ungarn
existierte noch. Man konnte mit dem Schiff nach Budapest fahren – man brauchte
keinen Paß und nichts. Onkel Mishak hatte damals gerade bei meinem Großvater im
Warenhaus angefangen, aber er vermißte das Landleben, und darum ist er jeden
Sonntag zum Angeln hier herausgefahren. Und eines Sonntags zog er anstelle
eines Fischs eine Flasche heraus.» Sie wandte sich Quin eifrig zu. «Es war eine
Limonadenflasche mit einem Brief darin. Eine Flaschenpost.»
    Quin zeigte sich gebührend
beeindruckt.
    «In dem Brief hieß es: < Ich heiße
Marianne Stichter, bin vierundzwanzig Jahre alt und sehr traurig. Wenn Sie ein
braver und

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