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Die Morgengabe

Die Morgengabe

Titel: Die Morgengabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ibbotson
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Weise, wie der Konsul, vermutlich
auf Anweisung des Botschafters, diese ganze Angelegenheit durchgeboxt hatte,
konnte er nicht billigen. Verfahren, für die man sonst Tage brauchte, wurden
plötzlich innerhalb von Stunden erledigt: die Ausstellung der Visa, das
Umschreiben der Reisepässe. Garantiert sind da zwei zusammen auf irgendeinem
Nobelinternat gewesen, dachte der Vizekonsul, der aus einfachen Verhältnissen
stammte. Professor Somervilles Vater vielleicht mit dem Vetter des Botschafters
... Vermutlich hatte eines dieser vor sichtig tastenden Gespräche
stattgefunden, bei denen die Engländer der guten Kreise wie Hunde an
Laternenpfählen den Stammbaum des anderen zu erschnüffeln suchen, indem sie von
der Schule plaudern – Eton oder Harrow? – und dann feststellen, daß sie im
Herzen Brüder sind.
    «Kann ich bitte Ihre Papiere haben?»
    Quin legte die Unterlagen auf den
Schreibtisch. Er sah, wie Ruths Hände sich auf der Stuhllehne verkrampften.
Knapp zwanzig Jahre alt, ein Kind des neuen Europa, das Hitler geschaffen
hatte.
    «Wir brauchen zwei Zeugen. Haben Sie
jemand mitgebracht?»
    «Nein.»
    Der Vizekonsul seufzte und ging in
den Korridor hinaus. Das Brummen des Staubsaugers hörte auf, eine Frau mit
einer großen Warze am Kinn trat ins Zimmer und blieb stumm an der Tür stehen.
Sie hatte an den Innenseiten ihrer Filzpantoffel ein Stück herausgeschnitten,
um den Überbeinen an ihren Fußballen Platz zu schaffen, und das war ganz
vernünftig. Ruth hatte Verständnis dafür, daß man von jemand, dem die Füße
solche Probleme machten, nicht erwarten konnte, daß er lächelte oder einem
guten Morgen wünschte. Dann kam der Handwerker, er hatte seinen Ölmantel
ausgezogen und roch ziemlich streng – auch das ganz natürlich – nach den
Abflüssen, die er gereinigt hatte. Ganz klar, daß auch er nicht gerade erfreut
darüber war, bei seiner Arbeit gestört zu werden.
    Nun trat der Konsul persönlich ein,
ein distinguiert aussehender, formell gekleideter Mann, in der Hand das
Gebetbuch der Anglikanischen Kirche, und die Zeremonie begann.
    Was nun folgte, hatte Quin
allerdings nicht erwartet. «Es ist eine reine Formalität», hatte er Ruth
versichert. «In ein paar Minuten ist alles vorbei.» Aber der Konsul waltete
seines Amtes mit größter Gewissenhaftigkeit. Zwar verkürzte er das
Trauungszeremoniell um einiges, aber er ließ es sich nicht nehmen, die Worte zu
sprechen, die seit vierhundert Jahren von anglikanischen Geistlichen bei
solchen Zeremonien gesprochen wurden. Quin, dem Böses schwante, runzelte die
Stirn und blickte zu Boden.
    «Liebe Anwesende, wir haben uns
heute im Angesicht Gottes hier zusammengefunden, um diesen Mann und diese Frau
zu trauen. Der heilige Stand der Ehe ist ...»
    Ruth begann unruhig zu werden. Die
Putzfrau mit den löchrigen Filzpantoffeln schniefte.
    « ... und soll daher von keinem
unberaten, leichtsinnig oder mutwillig unternommen werden, sondern mit
Ehrfurcht und Überlegung ...»
    Es kam, wie Quin erwartet hatte.
Ruth machte plötzlich eine scharfe, abweisende Kopfbewegung, und ein letzter
Wassertropfen fiel aus ihrem Haar auf das blanke Linoleum.
    Der Konsul kam auf die Bestimmung
der Ehe zu sprechen, nannte dazu die Zeugung von Nachkommen und rief damit bei
Ruth ein erschrockenes Stirnrunzeln hervor. Danach mußten die Putzfrau und der
Handwerker, die kein einziges Wort verstanden, bezeugen, daß ihnen Gründe, die
dieser Heirat entgegengestanden hätten, nicht bekannt seien, und dann kam der
Konsul endlich zur Sache.
    «Willst du, Quinton Alexander St.
John, diese Frau zu deiner angetrauten Ehefrau nehmen ...? Willst du sie lieben
und ehren in guten wie in schlechten Tagen und ihr treu sein, solange ihr beide
lebt?»
    «Ich will es.»
    «Ruth Sidonie, willst du diesen Mann
zu deinem angetrauten Ehemann nehmen ...?»
    Ihr «Ich will es» kam deutlich,
jedoch mit einem leichten, fast vergessenen schottischen Anklang. Ein
Streß-Symptom, so schien es.
    Der Konsul räusperte sich. «Haben
Sie einen Ring?»
    Ruth schüttelte den Kopf, aber im
selben Moment nahm Quin einen schlichten goldenen Reif aus seiner Tasche.
    Er war selbst auch etwas blaß, als
er versprach, Ruth zu seiner angetrauten Ehefrau zu nehmen, sie zu lieben und
zu ehren bis an sein Lebensende. Der Ring, den er ihr an den Finger steckte,
paßte wie angegossen. Ihre Hände waren eiskalt.
    «Mit diesem Ring will ich dich zur
Frau nehmen, mit meinem Leib will ich dich lieben, und alle meine

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