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Die Morgengabe

Die Morgengabe

Titel: Die Morgengabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ibbotson
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Jetzt
faltete sie die Decke auf dem Feldbett, wusch sich, so gut es ging, unter dem
Wasserhahn in der kleinen Garderobe und machte sich eine Tasse Kaffee.
    Heute ist mein Hochzeitstag, dachte
sie; an diesen Tag werde ich denken, wenn ich einmal auf dem Sterbebett liege –
und plötzliche Panik packte sie.
    Sie hatte ihren Rock und ihren
Pullover unter eine Zeitung gelegt und sie mit einem Brett voller Steine
beschwert, aber viel Erfolg hatte dieser Versuch, ihre Kleider zu glätten,
nicht gehabt. Sollte sie vielleicht doch lieber das Kleid anziehen, das für
Heinis Debüt mit den Philharmonikern gedacht gewesen war? Sie hatte es von zu
Hause mitgenommen; es hing jetzt hinter der Tür: brauner Samt mit einem braven
Kragen aus cremefarbener Spitze. Es stammte aus dem Warenhaus ihres Großvaters.
Jetzt waren die Schaufenster des Kaufhauses zertrümmert, und die Leute wurden
angehalten, nicht dort zu kaufen. Dem Himmel sei Dank, daß Großvater tot war.
    Nein, das war Heinis Kleid – ihr
Umblätter-Kleid, denn es spielte sehr wohl eine Rolle, was man anhatte, wenn
man die Noten umblätterte. Man mußte hübsch aussehen, aber doch dezent. Das
Kleid hatte die Farbe des Bechstein-Flügels im Musikverein – für einen
Engländer, der davonlief, wenn er einen Straußwalzer hörte, war es nicht
geeignet.
    Sie ging langsam durch die
Museumsräume, und im grauen Licht der Morgendämmerung traten ihre alten Freunde
einer nach dem anderen aus der Dunkelheit. Der Eisbär, der See-Elefant ... der
Ichthyosaurus mit der falschen Wirbelsäule. Und das kleine Fingertier, das sie
wieder in seine Vitrine gesperrt hatte.
    «Wünsch mir Glück», flüsterte sie
dem häßlichen kleinen Tier zu und drückte die Stirn an das Glas. Sie schloß die
Augen, und die Halbaffen Madagaskars verschwanden, als Bilder der Hochzeitsfeier
vor ihr aufstiegen, die sie sich so oft mit ihrer Mutter zusammen ausgemalt
hatte. Nicht hier, sondern am Grundlsee hätte sie stattfinden sollen. In einem
langen Konvoi von Booten, weil ja alle, die ihr etwas bedeuteten, dabei sein
mußten, wäre man zu der kleinen Kirche mit dem Zwiebelturm gerudert. Onkel
Mishak hätte ein bißchen gebrummt, weil er sich fein machen mußte; Tante Hildas
Reißverschluß hätte geklemmt – und das Zillerquartett hätte gespielt. «Auf dem
Steg», hatte sich Ruth gewünscht, aber Biberstein sagte nein, um auf dem Steg
zu spielen, sei er zu dick. Sie hätte weißen Organdy getragen und einen
Brautstrauß aus Bergblumen, und am Altar hätte Heini mit seinem lockigen Haar
und seinem lieben Lächeln auf sie gewartet.
    Ach, Heini, verzeih mir. Ich tu es
ja für uns.
    Wieder in der Garderobe, warf sie
noch einmal einen Blick auf ihr Spiegelbild. Nie hatte sie sich so reizlos und
durchschnittlich gefunden. Impulsiv löste sie ihr Haar, füllte das Waschbecken
mit kaltem Wasser, nahm die grüne Seife, die das Museum seinen Mitarbeitern zur
Verfügung stellte ...
    Als Quin kam, war sie fertig, ihr
Koffer gepackt.
    «Regnet es hier herein?» fragte er
überrascht, als er ihr nasses Haar sah.
    Sie schüttelte den Kopf. «Ich hab
mir die Haare gewaschen, aber die Heizung geht nicht.»
    Er sah die Schatten unter ihren
Augen, die straffe Haltung ihrer Schultern.
    «Kommen Sie. Es wird gleich vorbei
sein – und es ist nicht so schlimm wie ein Besuch beim Zahnarzt.»
    Am Fuß der Treppe wartete ein
Grüppchen Menschen, die ihr Glück wünschen wollten: die Zugehfrau, der
Nachtwächter, der alte Präparator. Sie hatten alle gewußt, daß sie hier untergeschlüpft
war, und keiner hatte sie verraten. Daran mußte sie sich später immer erinnern,
wenn sie an ihren Landsleuten verzweifeln wollte.
    Sie hatte sich unter dem britischen
Konsulat etwas Beeindrukkendes vorgestellt, aber nach dem Anschluß hatte eine
Reihe von Auslandsvertretungen das Quartier wechseln müssen, und so setzte das
Taxi sie nur vor einer Reihe Baracken ab, auf deren Blechdächer immer noch der
Regen trommelte. Ein mürrischer Handwerker im Ölmantel stocherte mit einem
Werkzeug in der überfließenden Regenrinne herum. Das Bild Georgs VI. im provisorischen
Büro des Konsuls hing etwas schief; draußen im Flur war jemand beim
Staubsaugen.
    Der Stellvertreter des Konsuls
erwartete sie, allerdings nicht gerade glänzender Laune. Er hatte eine
Bindehautentzündung, eine äußerst unangenehme Geschichte, und hielt ein
Taschentuch auf sein Auge gedrückt. Zwar fand er Professor Somerville
persönlich ganz sympathisch, aber die Art und

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