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Die Morgengabe

Die Morgengabe

Titel: Die Morgengabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ibbotson
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hatte: daß O'Malley nach einem Autounfall mit einer
Gehirnerschütterung im Krankenhaus lag und gar nicht in der Lage war, irgend
etwas zu sagen.

15
    In der zweiten Oktoberwoche wurden Leonies Gebete bezüglich der
Kindergärtnerin erhört. Miss Bates verlobte sich – ein Triumph französischer
Hemdhöschen über persönliche Ausstrahlung – und kehrte in das Haus ihrer Eltern
in Kettering zurück, um ihre Aussteuer zu nähen. Ihr Zimmer im Erdgeschoß
hinten wurde frei, und Paul Ziller zog ein, was alle sehr freute. Ziller
brauchte jetzt nicht mehr in der Garderobe des Jewish Day Center zu
üben, sondern konnte zu Hause bleiben; Leonie konnte sich seine Hemden zum
Bügeln holen, wann immer es ihr paßte; und Onkel Mishak hatte direkten Zugang
zum Garten.
    Mishak hatte es nicht für nötig
gehalten, das Stückchen Land zurückzugeben, das er zur Zeit der Krise von
München für sich beschlagnahmt hatte. Man hatte ihm befohlen, Ruhe zu bewahren
und zu graben, und das tat er weiterhin. Da er kein Geld hatte, um Pflanzen und
Düngemittel zu kaufen, war er in seinen Möglichkeiten beschränkt, aber auch
wieder nicht so beschränkt, wie man vielleicht vermutet hätte. Die alte Dame
zwei Türen weiter war noch Eigentümerin ihres Hauses, und als Dank für seine
Hilfe bei der Gartenarbeit schenkte sie Mishak
Samen und Stecklinge aus ihrem Kräutergärtchen. Und auch Mishaks Streifzüge
durch die Londoner Parks blieben nicht fruchtlos; er hatte stets sein Schweizer
Armeemesser bei sich und eine Anzahl brauner Papiertüten. Es wäre ihm nicht
eingefallen, den Pflanzen, denen er unterwegs begegnete, Schaden zuzufügen,
aber diskretes und einfühlsames Stutzen hier und dort verhalf ihm zu manch
hübschem Setzling, sei es von Jasmin oder Geranien oder anderen blühenden
Pflanzen. Und wenn das Geld für Dünger nicht reichte, so bediente man sich eben
des Komposts, von dem es in Nummer 27
in Hülle und Fülle
gab,, angefangen mit den Resten von Fräulein Lutzenhollers Gemüsesuppen.
    Hilda hatte mittlerweile im
Britischen Museum den Durchbruch geschafft: Sie hatte sich ein Herz gefaßt und
war ins Allerheiligste des Verwalters der anthropologischen Sammlung vorgestoßen,
um ihm ihre Ansichten über den Trinkbecher der Mi-Mi kundzutun.
    «Er ist nicht von den Mi-Mi», sagte
sie, mit ernsthaftem Blick durch ihre Brillengläser spähend, und belegte ihre
Behauptung.
    Der Kustos hatte ihr nicht
zugestimmt, aber er hatte sie auch nicht hinausgeworfen. Wer glaubte,
Flüchtlinge dürften nicht arbeiten, befand sich im Irrtum. Kein Mensch hatte
etwas dagegen, daß sie arbeiteten, sie durften nur kein Geld für ihre Arbeit
nehmen. Nachdem Hilda sich als gelehrte Frau vom Fach ausgewiesen hatte,
durfte sie selige Stunden im verstaubten Keller des Museums damit zubringen,
die Objekte und Kunstwerke zu sortieren, die unternehmungslustige
Weltenbummler im vergangenen Jahrhundert von ihren Reisen mitgebracht hatten.
    Ein Hauch vorsichtiger Hoffnung
durchwehte also im Oktober das Haus Nummer 27, um
so mehr als Ruth, nunmehr ihres Studienplatzes in Thameside sicher,
offensichtlich ihre Arbeit liebte. Selbst das finstere Fräulein Lutzenholler
hatte jetzt eine neue Beschäftigung: Professor Freud hatte endlich Wien
verlassen und sich in einem Haus nur wenige Straßen entfernt etabliert. Sie
erwartete zwar nicht, von Freud bemerkt zu werden – der sowieso sehr alt und
schwerkrank war –, da sie auf einer Tagung der Psychoanalytischen Gesellschaft im
Jahr 1921 Freuds großen Rivalen, Jung, gelobt
hatte; aber sie stellte sich gern einfach vor sein Haus und schaute es an, so
wie Cézanne die Montagne Ste Victoire angeschaut hatte.
    Da Hilda und die Psychoanalytikerin
somit aus dem Weg waren, konnte Leonie nun ungehindert ihre Hausarbeit
verrichten. Doch als es draußen kälter wurde, machte sie eine schreckliche
Entdekkung. Ihr Entsetzen darüber teilte sie, obwohl sie sich in Grund und
Boden schämte, mit Miss Violet und Miss Maud.
    «Ich habe Mäuse im Haus», sagte sie
mit umflorten Augen, denn der Befund schmerzte heftig.
    Tatsächlich, mit dem Fortschreiten
des Herbsts fielen die Mäuse in Scharen im Haus ein. Sie führten ein
temperamentvolles Leben hinter den Sockelleisten von Nummer 27 und quietschten in der Ekstase der Kopulation hinter
der Holztäfelung. Leonie deckte alles Eßbare zu, sie schrubbte, sie lauerte,
sie schlug mit dem Besen, sie kaufte Gift – und die Mäuse wuchsen und gediehen.
    «Haben Sie es mit Fallen

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