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Die Moselreise - Roman eines Kindes

Titel: Die Moselreise - Roman eines Kindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns-Josef Ortheil
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sehr langweilig sein in Deinem
Köln.« Ich wusste wieder nicht, was ich sagen sollte, aber ich musste doch etwas sagen, sonst hätte der Junge vielleicht gedacht, dass ich nicht mit ihm reden wollte, und ich wollte doch mit ihm reden. Da ich aber nicht wusste, was ich sagen sollte, sagte ich einfach »Wie meinst Du das?«, und da sagte der Junge, dass es in den Weinbergen nie langweilig sei und dass man in den Weinbergen immer etwas zu tun habe und dass er heute, am frühen Morgen, oben in den Weinbergen Weinbergschnecken gesammelt und von seinem Vater für die vielen gesammelten Weinbergschnecken fünfzig Pfennige bekommen habe. Da begriff ich, was der Junge meinte, und ich sagte, dass ich es toll fände, in den Weinbergen Weinbergschnecken zu sammeln und dass es schade sei, dass es in Köln keine Weinberge gebe und Köln deshalb vielleicht wirklich etwas langweiliger sei als die Gegend hier an der Mosel. Als ich das gesagt hatte, merkte ich, dass der eben noch feindselige Junge nicht mehr feindselig war, und auch der andere Junge war es kein bißchen. Sie schauten mich auch nicht mehr so seltsam an, sondern sie forderten mich auf, zu ihnen ins Wasser zu kommen und mit ihnen Steine über das Wasser flitzen zu lassen, und das tat ich denn auch, und ich war gar nicht so schlecht im Steine-Flitzen-Lassen.
    Warum Köln nicht langweilig ist
    In Köln gibt es keine Weinberge, aber Köln ist nicht langweilig. Am Rhein gibt es immer etwas zu sehen, und man kann das halbe Jahr mit den Schiffen fahren. Auch gibt es eine Seilbahn, die über den Rhein schwebt, hin und zurück. In Köln
gibt es auch eine schöne Galopprennbahn und schöne Ufer für das Schwimmen im Rhein und eine Oper und viele schöne Kirchen. Das Schönste an Köln aber ist der große Dom. Einen solchen Dom gibt es an der Mosel nicht, und in ganz Deutschland sonst auch nicht.
    Nachdem wir eine Weile die Steine hatten flitzen lassen, kam Papa hinunter zu uns an die Mosel, und dann verabschiedete ich mich von den Jungs und ging mit Papa noch ein paar Meter an der Mosel entlang bis zur Anlegestelle der Fähre nach Beilstein. Die Fähre war gerade am anderen Ufer und schaukelte dort etwas herum. Es dauerte aber nicht lange, da fuhr sie los und kam zu unserem Ufer, und dann gingen wir auf die Fähre und fuhren los. Ich kannte das Fahren auf einer Fähre ja schon, deshalb war es nichts Neues, mir fiel aber auf, dass auf der Fähre nach Beilstein viel gesprochen wurde und dass die Menschen, die mit dieser Fähre fuhren, zwar beinahe alle nach Beilstein schauten, dabei aber auch noch ununterbrochen über Beilstein sprachen. Hoch über Beilstein gab es eine große Ritterruine, und hoch über dem Ort gab es eine große Kirche, und unten an der Mosel entlang gab es viele schöne Häuser, und vor den Häusern liefen viele Menschen herum. Ich fragte Papa, ob es in Beilstein so ähnlich zugehe wie in Cochem, da lachte Papa und antwortete, es gehe in Beilstein wahrhaftig ein wenig so zu wie in Cochem, aber doch nicht ganz so, und außerdem seien wir ja kluge Wanderer, die nicht einfach mitten in die Menschenströme hinein laufen, sondern so wandern würden, dass wir den Menschenströmen geschickt entkämen.

    Touristen
    Die Menschenströme, die durch die Orte laufen, heißen Touristen. Papa mag nicht, wenn einer zu ihm sagt, er sei ein Tourist. »Sind Sie ein Tourist?«, hat ihn vorgestern jemand gefragt, und Papa hat geantwortet: »Sehe ich etwa so aus?« Papa sagt, wir seien keine Touristen, sondern Wanderer und damit genaue Beobachter, und das sei etwas anderes als Touristen. Touristen, sagt Papa, wandern nicht und beobachten auch nicht genau, Touristen lassen sich irgendwohin fahren und schauen dann, wo sie den nächsten Apfelkuchen mit Sahne bekommen.
    Als wir in Beilstein ankamen, fuhr dort gerade ein Bus nach dem andern vor, und aus jedem Bus strömten viele Menschen, und alle standen dann herum und wollten durch Beilstein gehen oder durch Beilstein geführt werden. Es war also sehr eng und voll und laut, und es gab Menschen, die mit Weingläsern herum liefen und besonders laut waren. Da sagte Papa »Das ist ja grausam hier«, und ich sagte nichts, weil ich nicht sagen wollte, dass es mir an dem vollen Moselufer von Beilstein nicht besonders gefiel. »Komm«, sagte Papa, »wir steigen jetzt einfach hinauf zur Burg Metternich«, und ich antwortete »ja, genau« und dann sagte ich noch, dass wir das ja immer so machten, wenn es uns irgendwo nicht passen würde und es

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