Die Moselreise - Roman eines Kindes
könnten. Da haben wir uns entschieden, sofort weiter zu ziehen und die Stadt Cochem, bevor es in ihr wieder sehr unruhig würde, zu verlassen. Wir sind dann an der Mosel entlang Richtung Ellenz gewandert, immer an der Mosel entlang, ganz dicht an ihr entlang. Die Mosel floss jetzt nicht mehr gerade und breit, sondern gekrümmt und schmal, so dass man während des Wanderns immer nur ein kleines Mosel-Stück sehen konnte. Unterwegs machten wir dann auch eine kleine Rast, wir legten uns auf eine Decke in den Schatten unter einen Baum, und dann haben wir etwas Sprudel getrunken, und jeder von uns hat etwas gelesen. Papa hat gesagt, dass »Der Knabe im Brunnen« wirklich ein sehr schönes Buch sei, das ich unbedingt lesen müsse, und ich habe gesagt, dass ich es sofort lesen werde, wenn ich mit den »Fury«-Geschichten am Ende sei. In den »Fury«-Geschichten ging es nun um den Kampf zwischen Fury, dem schwarzen Hengst, und einem bösen, weißen Hengst, der ein Killer-Hengst war. Die Geschichten wurden also immer spannender, und selbst der junge Joey, Furys Freund, zitterte manchmal vor lauter Spannung, weil auch er nicht wusste, wie die Geschichten und der Kampf zwischen den beiden Hengsten wohl ausgehen würden.
Am Nachmittag kamen wir dann in Ellenz an, und Papa sagte, dass wir nach der schlimmen und anstrengenden Nacht in der Jugendherberge nun ein sehr gutes und fürstliches Quartier beziehen würden. Das fürstliche Quartier hatten wir uns verdient, denn wir hatten in Cochem ja sehr sparsam und bescheiden gelebt. Papa aber wusste anscheinend ganz genau, wo wir übernachten würden, denn wir steuerten sofort, als wir in Ellenz angekommen waren, das »Weinhaus Fuhrmann« an. Im »Weinhaus Fuhrmann« waren die Menschen sehr freundlich, sie fragten uns danach, woher wir kämen und wie lange wir schon unterwegs seien, und dann schenkte mir die Frau am Empfang eine kleine Tüte mit Erfrischungsbonbons und lobte mich, weil ich ein tüchtiger, junger Wanderer sei. Wir bezogen dann ein großes Zimmer im Nebenhaus mit Blick auf die Mosel, die Mosel war nur ein paar Meter entfernt, und auf der anderen Seite der Mosel war ein weiterer kleiner Ort zu sehen, der so aussah, als habe man ihn gemalt. Ich fragte Papa, was das denn für ein seltsamer Ort sei, und Papa antwortete, dieser Ort heiße Beilstein, und es sei in der Tat ein sehr seltsamer Ort. Wie seltsam er sei, das aber würden wir gleich selbst heraus bekommen, denn wir würden gleich mit einer Fähre hinüber nach Beilstein fahren und später in Beilstein zu Abend essen.
Bevor wir nach Beilstein fuhren, wollte Papa sich aber noch wenigstens eine halbe Stunde ausruhen und etwas hinlegen. Papa wusste schon, dass ich ausruhen langweilig fand, deshalb sagte er, ich könne ruhig schon mal hinunter an die
Mosel gehen und mir dort die Zeit vertreiben, er komme in einer halben Stunde nach, und dann würden wir mit der Fähre nach Beilstein fahren. Ich verließ also das Zimmer und ging hinunter an die Mosel. Direkt an der Mosel standen aber zwei Jungs, die Steine über das Wasser flitzen ließen und mit nackten Füßen im Wasser standen. Ich ging zu ihnen hin, und sie schauten mich lange an, als gäbe es an mir etwas Besonderes zu sehen. »Du bist nicht von hier, stimmt’s?«, fragte mich dann der eine, und ich antwortete, dass er recht habe und dass ich nicht von hier, sondern von Köln sei. »Köln liegt am Rhein, stimmt’s?«, fragte der Junge da weiter, und ich antwortete, dass das stimme, Köln liege am Rhein. »Ist Köln eine große Stadt?«, fragte der Junge noch immer weiter, und ich antwortete, dass Köln eine sehr große Stadt mit einem sehr großen Dom und vielen sehr schönen und großen Häusern sei. »Gib nicht so an«, sagte da der andere Junge und schaute mich weiter an, als sähe ich merkwürdig oder seltsam aus. Ich antwortete darauf nichts mehr, denn mir fiel einfach nichts ein, außerdem aber war ich etwas erschrocken, dass der andere Junge glaubte, ich wolle angeben, dabei wollte ich überhaupt nicht angeben, sondern nur etwas über Köln sagen, wonach ich gefragt worden war. »Gibt es in Köln Weinberge?«, fragte der feindselige Junge mich da, und ich antwortete, dass es in Köln keine Weinberge gebe und dass die Landschaft in Köln ganz flach und eben und damit ganz anders sei als hier an der Mosel. »Na bitte«, sagte der etwas feindselige Junge da, »na bitte, es gibt in Köln also keine Weinberge, sondern nur flaches Land. Dann muss es ja
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