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Die Moselreise - Roman eines Kindes

Titel: Die Moselreise - Roman eines Kindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns-Josef Ortheil
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kam dann zu mir zurück, und er sagte, wir würden nun wieder hinüber nach Ellenz fahren, um dort im »Weinhaus Fuhrmann« zu Abend zu essen.
     
    Ich war sehr erleichtert, dass wir wieder nach Ellenz fuhren, denn ich wollte nicht gerne in Beilstein zu Abend essen, vor allem wollte ich aber nicht, dass Papa weiter mit der fremden Frau und nicht mit Mama tanzen würde, nein, das wollte ich wirklich nicht. Ich sagte aber gar nichts, sondern schwieg richtig, und erst, als wir unten an der Mosel auf die Fähre warten mussten, fragte ich Papa, warum er mit der fremden Frau getanzt habe. Papa schaute mich an und dann sagte er, man dürfe eine Frau, die einen zum Tanz
auffordere, nicht abweisen, sondern müsse der Frau danken, dass sie einen zum Tanz auffordere. Für einen Mann sei es nämlich eine Ehre, von einer Frau zum Tanz aufgefordert zu werden, und deshalb müsse der Mann mit der Frau dann auch ordentlich tanzen, das gehöre sich einfach so. Ein Tanz oder zwei, vielleicht auch drei Tänze gehörten sich, es sei aber nicht nötig, dass der Mann dann noch länger oder den ganzen Abend mit der Frau tanze. Deshalb habe er sich bei der Frau dafür bedankt, dass sie ihn zum Tanzen aufgefordert habe, ihr nach dem Tanzen aber erklärt, dass wir nun nach Ellenz zurück fahren müssten und er nicht länger mit ihr tanzen könne. Ich verstand alles, was Papa sagte, genau, und ich fragte nur noch, ob er wirklich zurück nach Ellenz haben fahren wollen oder ob er der fremden Frau das nur gesagt habe, um nicht mehr mit ihr tanzen zu müssen. Da lachte Papa und sagte, im Grunde habe er bereits vorgehabt, mit mir nach Ellenz zum Abendessen zurück zu fahren, er habe aber noch gezögert. Jetzt aber sei alles klar, wir würden nach Ellenz zurück fahren und dort zu Abend essen. »In Ordnung?«, fragte er mich dann noch, und ich sagte, dass ich das sehr in Ordnung finde und mir die ganze Zeit schon gewünscht habe, nicht in Beilstein, sondern in Ellenz zu Abend zu essen und mich nur nicht getraut habe, das auch zu sagen. Papa lachte wieder, und dann lachten wir beide, und ich war sehr froh, als wir wieder auf der Fähre standen und hinüber nach Ellenz fuhren.

    Fragen
    Ich: Hast Du mit Mama früher auch mal getanzt?
    Papa: Ich habe mit Mama früher sehr viel getanzt, das war aber noch vor Deiner Geburt.
    Ich: Und wo habt Ihr getanzt?
    Papa: Bei den Schützenfesten im Westerwald, bei den Familienfesten in Omas und Opas Garten, an Silvester, an vielen Feiertagen, immer im Westerwald.
    Ich: Und wer hat Euch das Tanzen beigebracht?
    Papa: Niemand hat uns das Tanzen beigebracht. Das Tanzen lernt man von ganz allein, wenn man viel tanzt.
    Auf der Fähre passierte dann aber noch einmal etwas Besonderes. Es war nämlich, als wir mit der Fähre fuhren, schon richtig dunkel, so dunkel, dass man die Mosel kaum noch erkennen konnte. Deshalb schauten Papa und ich auch nicht auf die Mosel, sondern zurück nach Beilstein. Da aber sah ich, wie der Ort überall leuchtete und funkelte und wie er sehr festlich und schön aussah, und ich überlegte plötzlich, ob wir nicht doch hätten in Beilstein zu Abend essen sollen. Ich überlegte, ob ich Papa das sagen sollte, aber dann sagte ich nur, dass mir Beilstein von der Fähre aus ganz anders vorkomme als noch eben, als wir durch Beilstein gelaufen seien. Da fragte Papa »Wie anders? Was ist denn jetzt anders?«, und da sagte ich, dass Beilstein jetzt, von der Fähre aus, aussehe wie ein Foto oder wie ein Ort im Film, so schön sehe Beilstein aus. Da aber sagte Papa »genau« und dass er das auch finde und dass eben das das Besondere an Beilstein sei, dass der Ort von Weitem oft schöner sei als von Nahem und dass es eben ein Ort für Filme und Musik und Tanz
und Gesang sei. An der Mosel gebe es jedenfalls keinen vergleichbaren Ort, eigentlich sei es ein Ort zum Theater spielen und zum Filme drehen, und wirklich seien in Beilstein auch schon viele Filme gedreht worden, von denen wir uns vielleicht einmal einen anschauen würden, wenn er in Köln in einem Kino laufe. Ich fragte Papa, wie die Filme aus Beilstein denn heißen würden, aber Papa konnte sich nicht erinnern, so sehr er es auch versuchte. Ihm fiel einfach kein Film ein, und so sagte er immer nur »verdammt, es liegt mir auf der Zunge, verdammt«, aber es half alles nichts, Papa fiel es nicht ein. Papa wurde dann ganz still und überlegte weiter, und als wir am Ufer von Ellenz ankamen, gab er auf und sagte nur »Dir wären die Filmtitel sofort

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