Die Moselreise - Roman eines Kindes
gebracht und dann sei die Schwarze Madonna hier in Beilstein geblieben, weil die spanischen Soldaten nach dem Krieg mit den Beilsteinern Frieden geschlossen und ihnen die Schwarze Madonna geschenkt hätten.
Ich fragte Papa, ob diese Schwarze Madonna eine ähnliche Madonna sei wie die Schwarze Madonna in der Kupfergasse in Köln, die Mama und ich schon sehr oft besucht und vor der wir viele Kerzen angezündet haben. Papa antwortete »ja,
ganz genau«, diese Madonna in Beilstein sei eine Schwarze Madonna wie die Schwarze Madonna in Köln, aber eben doch anders, sehr anders. Da schaute ich mir die Schwarze Madonna von Beilstein einige Minuten sehr genau an, um heraus zu bekommen, wie anders diese Schwarze Madonna denn sei. Und dann sagte ich zu Papa, die Schwarze Madonna in Beilstein sei ganz aus Holz, die Schwarze Madonna in Köln aber trage ein schweres Kleid aus Stoff über ihrem Körper, deshalb könne man auch nicht sehen, ob sie aus Holz oder woraus sie gemacht sei. Und dann sagte ich noch, dass die Schwarze Madonna in Beilstein sehr ernst aussehe und einem ein wenig Angst mache, während die Schwarze Madonna in Köln freundlicher aussehe und so, als wäre sie immer für einen da. Papa meinte, das sei alles richtig und ich hätte genau hingeschaut, und es wäre schön, wenn ich an Mama eine Karte mit dem Bild der Schwarzen Madonna schicken würde. Wir kauften dann eine Postkarte mit dem Bild der Schwarzen Madonna, und ich setzte mich nach draußen, vor die Kirche, und schrieb die Postkarte, während Papa allein durch die Kirche ging und sich wieder alles sehr genau anschaute.
Postkarte 12
Liebe Mama, wenn wir in Beilstein wohnen würden, würden wir beide immer zur Schwarzen Madonna von Beilstein gehen und dort beten und eine Kerze anzünden. Die Schwarze Madonna von Beilstein ist aber viel ernster als die Schwarze Madonna in Köln, vielleicht ist sie etwas verärgert, weil sie nicht mehr in Spanien ist, denn sie kommt aus Spanien und ist hier in Beilstein von den Spaniern zurück gelassen worden. Herzliche Grüße von Deinem Bub
Nach dem Besuch der Kirche von Beilstein sind wir dann eine lange Treppe hinab in das Dorf und dann auch richtig in das Dorf hinein gegangen. Es war schon beinahe dunkel, und in den Gassen brannten überall Lichter und die Fenster der Lokale standen offen, und man hörte überall Musik. An jedem Eck, an dem wir vorbei gingen, wurde eine andere Musik gespielt, und auch auf den kleinen Plätzen wurde Musik gespielt, wie zum Beispiel »Weiße Rosen aus Athen« oder »Ein Schiff wird kommen«. Auf dem größten der kleinen Plätze wurde auch getanzt, und es standen viele Tische draußen im Freien, und auf den Tischen standen Kerzen. Der Ort war wirklich nicht sehr groß, wir hatten ihn jedenfalls sehr schnell durchlaufen, und dann kamen wir wieder auf dem größten der kleinen Plätze an, wo viel getanzt wurde. Wir hatten jetzt großen Hunger, und wir überlegten, ob wir in Beilstein wie geplant zu Abend essen sollten, ich merkte Papa aber an, dass er darüber nachdachte, ob wir wirklich in Beilstein zu Abend essen sollten. Wir standen dann noch etwas am Rand des größten der kleinen Plätze herum und schauten den Tänzern zu, da aber kam plötzlich eine Frau auf Papa zu gegangen und fragte ihn, ob er mit ihr tanzen wolle. Ich war sehr erstaunt, und auch Papa war sehr erstaunt, aber dann sagte Papa »ja, sehr gerne«, und dann ging er mit der Frau auf den Platz und tanzte mit ihr.
Papa tanzt
Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich Papa tanzen sehen, und ich habe Papa fast nicht mehr wiedererkannt. Papa tanzt nämlich wie ein richtiger Tänzer, mit viel Schwung, immer
rundherum. Beim Tanzen guckt Papa sehr ernst, als könne man beim Tanzen leicht etwas falsch machen. Die Frau, mit der Papa tanzte, hat viel geredet, aber Papa hat immer nur ganz kurz geantwortet oder genickt.
Das alles aber war sonderbar, und ich wusste gar nicht, was ich tun sollte, denn Papa tanzte ja nicht mit Mama, sondern mit einer fremden Frau, und ich wusste nicht so richtig, warum er das tat, nicht mit Mama tanzen, sondern mit einer fremden Frau. Die fremde Frau hatte ein rotes Kleid an und etwas Schmuck, und sie hatte sehr dunkle Haare, und außerdem trug sie weiße Schuhe, die auf dem Platz leuchteten. Als Papa mit der fremden Frau zu Ende getanzt hatte, blieb er mit der fremden Frau noch eine Weile auf dem Platz stehen und unterhielt sich mit ihr, dann aber gab er ihr die Hand und verabschiedete sich. Er
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