Die Moselreise - Roman eines Kindes
anderen Rheinufer. Wir fahren aber nie lange, höchstens ein oder zwei Stunden. An der Mosel fahre ich zum ersten Mal einen ganzen Tag lang Fahrrad. Das ist ganz schön anstrengend, und ich möchte es nicht jeden Tag machen.
Wir sind dann noch etwas langsamer als zuvor die Mosel-Schleife entlang gefahren, und der Weg war weiter sehr holprig und schmal. Plötzlich aber hat es immer dunklere Wolken gegeben, und Papa hat immer wieder in den Himmel geschaut und gesagt, er hoffe nur, dass es kein großes Gewitter gebe. Weil es ein Gewitter hätte geben können, sind wir dann wieder etwas schneller gefahren. Ich konnte jetzt aber nicht mehr ganz so schnell fahren wie am Morgen, denn ich war schon etwas müde, und ich hatte auch keine große Lust mehr, immer wieder in die Pedale zu treten. Als Papa und ich zu Fuß gingen, habe ich das Zu-Fuß-Gehen fast gar nicht bemerkt. Als wir aber Rad fuhren, habe ich das Radfahren bald bemerkt, vor allem das In-die-Pedale-Treten. Ich habe mir Mühe gegeben, schneller zu fahren, da
aber habe ich wieder bemerkt, wie schwer das Rad eigentlich war, richtig schwer und schwerfällig, als wollte es nicht von mir gefahren werden.
Der Himmel wurde immer dunkler und dunkler, und dann kam auch der Wind, und der Wind wurde dann stärker und stärker und war richtig zu spüren. Als er gegen uns blies, konnte ich kaum noch fahren, so schwer ging das Fahren, und ich bin weit hinter Papa zurück geblieben. Als Papa das bemerkt hat, haben wir an einem Campingplatz einen Halt gemacht. Wir haben die Räder auf den Campingplatz geschoben und sind in ein kleines Campinghaus am Eingang des Campingplatzes gegangen, wo es für die Leute, die auf dem Campingplatz wohnten, etwas zu essen und zu trinken gab. Wir haben dann jeder eine Bratwurst mit viel Senf und einem Stück Brot gegessen, und wir haben etwas getrunken.
In dem kleinen Campinghaus, das aus Holz war und in dem es sehr seltsam roch, waren außer uns gar keine Leute. Die Campingleute waren vielmehr in ihren Zelten oder in ihren Campingwägen, aber wir haben sie nicht gesehen. Wir haben gegessen und getrunken, und dann hat plötzlich das schwere Gewitter begonnen. Es hat mächtig geblitzt, und der Blitz war sehr hell und sehr scharf, und dann kam ein lauter Donner, mehrmals, immer wieder, als würde direkt über uns mit schweren Steinkugeln geschossen. Ich war sehr erschrocken, aber Papa hat gesagt, ich solle keine Angst haben, in dem Campinghaus könne uns nichts passieren. Es hat dann aber furchtbar zu regnen begonnen, und das Regenwasser
hat so laut auf das Dach des Campinghauses geprasselt, dass ich wieder Angst bekam. Während es regnete, sind dann aber auch die Campingleute aus ihren Zelten und Campingwägen gekommen. Wir haben sie gesehen, wie sie die Köpfe aus ihren Zelten steckten und wie sie an den Fenstern der Campingwägen erschienen. Einige haben sich vielleicht auch etwas gefürchtet, denn einige sind mitten durch den prasselnden Regen zu uns in das Campinghaus gekommen, und dann haben sie an den Fenstern gestanden und sich unterhalten und hinaus in den Regen geschaut.
Es sah so aus, als wollte der Regen überhaupt nicht mehr aufhören, so hat er geprasselt. Papa aber hat gesagt, wir müssten jetzt nur etwas Geduld haben, denn wenn der Regen aufhöre, sei die Luft klar und nicht mehr so schwül, und in der klaren und nicht mehr so schwülen Luft könnten wir dann wunderbar Fahrrad fahren. Ich hatte überhaupt keine Lust mehr, Fahrrad zu fahren, aber ich habe nichts gesagt, sondern nur genickt. Ich wollte aber nicht mehr nach draußen in den Regen schauen, und Papa hat gemerkt, dass mit mir etwas nicht stimmte. Da hat er gesagt, ich solle doch in meinen »Fury«-Geschichten lesen. Ich habe geantwortet, dass ich keine Lust mehr habe, in den »Fury«-Geschichten zu lesen und dass ich jetzt lieber mal etwas anderes lesen würde. Da hat Papa mir »Der Knabe im Brunnen« von Stefan Andres gegeben, und ich habe begonnen, »Der Knabe im Brunnen« zu lesen.
Das Gewitter
Das Gewitter hat lange gewartet. Wir haben schon längst gewusst, dass ein Gewitter kommen würde, aber das Gewitter wollte nicht kommen. Dann ist ein starker Wind gekommen und hat das Gewitter vorbereitet. Und dann ist das Gewitter gekommen: Erst ein Blitz, dann der Donner, dann wieder ein paar Blitze, dann wieder der Donner. Ich habe die Schultern hochgezogen und die Luft angehalten. Und dann hat es geregnet, und zwar gleich auf einmal ganz stark und
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