Die Mütter-Mafia
es zwischen uns aus ist.«
Aber so schnell konnte ich einfach nicht umschalten. Während ich so zusah, wie Lorenz unsere Ehe sorgfältig in ihre Bestandteile zerlegte und nur noch ohne mich zu Abendeinladungen ging - unsere gemeinsamen so genannten Freunde hatten entschieden, dass Lorenz wohl der Wichtigere von uns beiden war -, kam ich mir in der Wohnung zunehmend überflüssig vor, wie ein unerwünschter Gast. Halbherzig begann ich damit, meine Sachen und die der Kinder zusammenzupacken, was Nelly mit hysterischen Kreischanfallen quittierte.
»Meine Sachen bleiben hier! Ich werde sowieso die meiste Zeit hier sein. In diese Omi-Spießer-Kiste gehe ich allerhöchstens zum Schlafen! Dahin werde ich ganz sicher keine einzigemeiner Freundinnen einladen, so viel ist klar. Papi hat gesagt, mein Zimmer hier wird immer mein Zimmer bleiben.«
Viel gab es ohnehin nicht zu packen, weil eigentlich alles Lorenz gehörte. Er hatte es ausgesucht, und er hatte es bezahlt. In Geschmackssachen hatte ich mich immer an Lorenz gehalten, nicht umgekehrt, das zog sich wie ein roter Faden durch unsere Ehe. Die ganze Wohnung war mit sündhaft teurem, silbergrauem Ziegenhaarvelours ausgelegt, es gab »Rolf-Benz«-Sofas mit schwarzen Lederbezügen, einen Couchtisch im Wert eines Kleinwagens und riesige abstrakte Gemälde, deren Wiederverkauf die Ausbildungskosten unserer Kinder decken würde.
Nur das Weichholzküchenbüfett, das ich Lorenz zur Hochzeit geschenkt hatte, hob sich deutlich vom Rest der Einrichtung ab. Ich hatte es daheim auf Pellworm im Kuhstall unseres Nachbarn gefunden, unter mehreren Schichten Farbe. Es hatte mich Wochen gekostet, bis ich es abgelaugt und -geschliffen und mit Leinöl und ätherischem Orangenöl den Kuhstallgeruch weggepinselt hatte.
Lorenz war sehr gerührt gewesen, als ich ihm den Schrank präsentiert hatte, umwickelt mit einer weißen Schleife.
Ich musste weinen, als ich mich daran erinnerte. Ich musste überhaupt viel weinen, während ich mich an vieles erinnerte. An manchen Tagen wurden meine Augen gar nicht mehr trocken vor lauter Weinen. Trudi fand das alarmierend. Sie sagte, dass meine Aura ganz vergiftet sei und dass ich sofort ausziehen solle, um meine Seele zu retten. Sie ließ sich auch nicht von meiner Gehirntumortheorie überzeugen, sondern bot an, mich und die Kinder bei sich aufzunehmen, bis Lorenz die Heizung im Haus seiner Mutter hätte reparieren lassen. Aber mal abgesehen davon, dass Nelly wegen dieses Vorschlags einen weiteren hysterischen Kreischanfall erlitt, war die Idee auch nicht wirklich gut. Trudi wohnte mit ihren drei Siamkatzen und einer ganzen Menge für uns glücklicherweise unsichtbarer Geistwesen in einer kleinen Zweizimmerwohnung und hatte keine Vorstellungdavon, was es heißen würde, diese nun mit einem Teenager, einem Kleinkind und einer akut depressiven Mittdreißigerin zu teilen. Hätte ich keine Kinder gehabt, hätte ich ihr Angebot sofort angenommen. Wir hätten jeden Abend mehrere Flaschen Rotwein gekillt und traurige Filme auf Video angesehen. Nichts ist tröstlicher, als stockbesoffen die Titanic untergehen zu sehen -ich meine, da fühlt man sich doch gleich besser. Aber wegen der Kinder musste ich vernünftig bleiben.
»Ach, komm schon!«, sagte Trudi abenteuerlustig. »Wir machen uns eine schöne Zeit! Ihr drei bekommt ein Matratzenlager im Wohnzimmer, und wir machen Energiemassagen und Aromatherapie und Picknick vor dem Fernseher und so ...«
»Nein, nein«, sagte ich. »Sonst ändern sich auch deine Gefühle für mich, und dann hat mich gar keiner mehr lieb.«
Statt zu Trudi zu ziehen, fuhr ich also ganz vernünftig mit den Kindern nach Pellworm, obwohl es dort für mich weder eine tröstende Freundin noch Titanic-Videos oder Rotwein gab. Aber wir hatten jedes Jahr die Weihnachtsferien auf dem Hof meiner Eltern verbracht, und ich wollte, dass für die Kinder das Leben so normal wie möglich weiterging. Dummerweise waren während der Feiertage keine Installateure für die Heizung im Haus von Lorenz' Mutter aufzutreiben, und als Lorenz endlich jemand gefunden hatte, stellte sich heraus, dass die Heizung nicht mehr zu reparieren war, sondern völlig erneuert werden musste. Das bedeutete, dass wir noch länger bei meinen Eltern bleiben mussten. Nur Nelly fuhr am Ferienende zurück nach Hause, um die Schule nicht zu verpassen. Sie war ausgesprochen guter Stimmung, als sie sich von uns verabschiedete, denn meine Eltern hatten für Mädchen immer noch nicht
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