Die Mütze
ihnen zunickte, nickten sie zurück, jedoch ziemlich unfreundlich.
Efim nahm seine Aktentasche und begab sich zur Treppe in den zweiten Stock.
»Bitte sehr«, sagte Trjoschkin, indem er Efim feindselig nachblickte. »Meine Katze ist verschwunden, und er bekommt eine Mütze aus Katzenfell. Wie soll man das verstehen ?«
»Wenn wir mit offenem Mund nur so dasitzen, werden sie uns auch noch zu Mützen verarbeiten«, antwortete Tscherpakow.
Das war die Fortsetzung einer Unterhaltung, die sie noch im Restaurant begonnen hatten. Tscherpakow war nicht in der Lage, Trjoschkins Befürchtungen bezüglich einer allgemeinen
Judaisierung zu beschwichtigen, sondern mußte ihm bestätigen, daß er das zunehmende Übergewicht der Juden keineswegs überschätze, im Gegenteil, eher unterbewerte. Seiner Meinung nach hätten die Juden bereits alle Institutionen durchsetzt und nicht nur sämtliche Kommandoposten in Amerika und in den anderen westlichen Ländern in der Hand, sondern auch das faktische Übergewicht im Generalstab, im KGB und sogar im Politbüro gewonnen.
»Na, im Politbüro - das ist vielleicht etwas übertrieben«, zweifelte Trjoschkin, »dort gibt es keine Zionisten.«
»Keine Zionisten, dafür aber Freimaurer. Und Freimaurer sind die Marionetten der Zionisten.«
»Und wie kann man sich vor ihnen schützen?« fragte Trjoschkin entsetzt.
»Überhaupt nicht«, antwortete Tscherpakow, »man kann sie nur vertilgen, einen nach dem anderen.«
»Aber wie lange wird das dauern, bis sie alle weg sind!« seufzte Trjoschkin.
»Und wenn auch nicht alle, dann wenigstens ein paar.«
»Fimka! Mal ganz ehrlich, hast du wirklich deine Kukuscha kein einziges Mal betrogen ?«
Sie saßen in dem schmalen Gang vor der mit grünem Kunstleder gepolsterten Tür Lukins. Efim kam in der bewußten Angelegenheit, und die Dichterin Natalja Knysch hoffte, eine » Charakteristik « zu erhalten, um nach Portugal fahren zu dürfen. Sie war ein fülliges Dämchen mit Sexappeal und sprach mit rauchiger Stimme: »Du weißt doch, was Tschechow über Korolenko gesagt hat. Er sagte, Korolenko sei ein zu guter Mensch, um ein guter Schriftsteller zu sein. Und er sagte, Korolenko hätte viel besser geschrieben, wenn er seine Frau wenigstens einmal betrogen hätte.«
Efim lächelte höflich, aber zu einem Flirt war er nicht in der richtigen Stimmung. Er überlegte, wie er am besten mit Lukin sprechen und was er besonders betonen sollte, um ein positives Resultat zu erzielen.
Pjotr Nikolajewitsch Lukin war (so stand in silbernen Buchstaben auf schwarzem Hintergrund auf dem Täfelchen an seiner Tür) Sekretär für Organisationsfragen der Moskauer Sektion des Schriftstellerverbandes und gehörte zu jener Spezies Mensch, die bei uns fast völlig ausgestorben ist. Irgendwo existiert sie noch, und eines Tages wird sie auch bei uns wieder in Erscheinung treten (leider, leider ist es mir unmöglich, daran zu zweifeln), vorläufig jedenfalls ist sie Gott sei Dank praktisch ausgestorben.
In den Schriftstellerverband war Pjotr Nikolajewitsch, ebenso wie Andrej Andrejewitsch Schtschupow und manch anderer, aus den Organen versetzt worden, wo er den steinigen Weg vom gewöhnlichen Aufseher bis zum General zurückgelegt hatte. Die Organe waren seine Familie, sein Haus, seine Schule, seine Religion und seine Ideologie. Den Organen hatte er sein Leben und seine Gesundheit geopfert. Er hatte den Organen gedient, Menschen in ihrem Namen eingesperrt, wurde von ihnen selbst eingesperrt und anschließend rehabilitiert. Danach diente er ihnen abermals nach bestem Wissen und Gewissen, weshalb er mit der Medaille Völkerfreundschaft, der Nadel Ehrentschekist und dem Titel Verdienter Kulturschaffender ausgezeichnet wurde.
Nun diente er gleichsam in einer anderen Abteilung, aber sein Leben, jede Zelle seines Körpers und jede Regung seiner Seele gehörte nur den Organen, allenfalls noch der Partei, obwohl diese beiden Begriffe für ihn immer eins waren.
Sein Gedächtnis war eigentümlich, vielmehr fanden in seinem Kopf zweierlei Gedächtnisse Platz: Ein polizeiliches für die laufenden Ereignisse und ein anderes, ein allgemeines, für Dauerhaftes und die Fragen nach dem Sinn des Lebens. In seiner Jugend ist Pjotr Nikolajewitsch Romantiker gewesen, was er, betrachtet man sein Allgemeingedächtnis, bis heute bewahrt hat. Es behielt nur die nebulöse Vorstellung eines ununterbrochenen aufopfernden Dienens, und die Details, z. B. eine Situation, in der er um des Triumphs der
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