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Die Mütze

Die Mütze

Titel: Die Mütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Woinowitsch
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Er wagte es nie, seine Frau grob zu wecken, und begann auch heute, sie zu streicheln, wobei er ganz langsam von den oberen erogenen Zonen sich auf die unteren zubewegte, entsprechend dem von einer amerikanischen Instruktion für Ehepaare, die als Xerokopie von Samisdat verbreitet wurde, vorgeschlagenen Schema. (Eine solche Xerokopie hatte er eines Tages in der untersten Schublade von Tischkas Schreibtisch entdeckt, sie mit Hilfe eines Wörterbuches studiert und die entscheidenden Punkte verschlüsselt in sein Notizbuch übertragen.)
    Sobald er die Quelle seines Begehrens erreichte, immer streng nach der Instruktion, begann Kukuscha im Schlaf stoßweise zu atmen, und als sie sich seufzend auf den Rücken drehte, nutzte er die Situation und machte sich ans Werk, wobei seine Glatze sich gleichmäßig vor-und zurückbewegte.
    Obwohl er fast drei Dezennien an Kukuschas Seite gelebt hatte, liebte er sie (auch physisch) immer noch. Die jugendliche Leidenschaft hatte sich gelegt und einer regelmäßig entstehenden und langsam anwachsenden, gleichsam ziehenden Lust Platz gemacht, die von einer völligen Entrückung und dem Gefühl der Schwerelosigkeit begleitet wurde. Und nun glaubte Efim dahinzusegeln, als Kapitän Kolomijzew breitbeinig auf der Brücke zu stehen, ein alter Seebär mit grauen Schläfen und scharfen, stahlharten Augen. Ringsum stürmische See, schäumende Wellenkämme, niedrige fliehende Wolkenfetzen, die sich auf einmal ballten und zu weißen Schwänen wurden, ihren Flug verlangsamten und gleichmäßig über seinen Kopf zogen. Und plötzlich schwebte auch er hinauf und glitt mit ihnen dahin.
    »Was haben sie dir wegen der Mütze gesagt?« fragte plötzlich Kukuscha. Sie fragte laut, scharf und zerstörte augenblicklich seine Stimmung, als hätte sie ihn im Fluge angeschossen.
    »Wie ?« fragte er zurück, ohne von seinem Werk abzulassen, aber er war aus dem Rhythmus geraten und flatterte wie ein Vogel mit gebrochenem Flügel.
    »Ich frage dich«, sagte Kukuscha streng, »was haben sie dir im Kombinat gesagt?«
    Natürlich war diese Art von Gespräch nicht neu. Ausgerechnet in dieser Position überkamen Kukuscha die meisten Einfälle und das Verlangen, verschiedene alltägliche Probleme, etwa das Umstellen von Möbeln, den Kauf eines neuen Kühlschrankes oder das Jahresabonnement für das Schwimmbad zu erörtern. Noch nie hatte Efim besonderes Verständnis dafür aufgebracht. Heute aber empfand er es als besonders unpassend, und sofort spürte er im Nacken einen dumpfen Schmerz.
    »Sie haben gesagt, daß über Mylnikow die Times schrieb, ich aber nichts anderes als Hauskater mittlerer Dichte verdiene.«
    »Was für Dichte?«
    »Hauskater mittlerer Dichte. So nennen sie die Hauskatze. Sogar Baranow haben sie Kanin bewilligt, aber ich bekomme - Katze.«
    Er versuchte, in dem Begonnenen fortzufahren, doch es wollte irgendwie nicht mehr gehen.
    »Und was hast du gemacht ?«
    »Ich war sehr unglücklich und ging.«
    »Und das war alles ?!«
    »Das war alles.«
    »Du bist mir ein Held!« Kukuscha schlüpfte unerwartet unter ihm fort und drehte sich zur Wand.
    So manches Mal hatte sie auf diese Weise ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck gebracht, und er hatte es jedesmal als Erniedrigung und Kränkung seiner männlichen Würde empfunden, aber er machte ihr niemals eine Szene, sondern bettelte, sie möge doch ihre Launen irgendwie anders abreagieren und ihm den Höhepunkt gönnen.
    Dieses Mal bettelte er nicht und drehte ihr ebenfalls den Rücken zu, fand jedoch, gekränkt wie er war, keinen Schlaf. Er stand mehrmals auf, ging in die Küche, rauchte, drückte sich eine kalte Wärmflasche auf den Nacken, kehrte zurück und legte sich wieder mit dem Rücken zu Kukuscha ins Bett.
    Am Morgen machte er für Tischka das Frühstück, trank eine lasse Kaffee und zog sich in sein Zimmer zurück. Er hörte, wie Kukuscha aufstand, durch die Wohnung lief, wie sie, um seine Aufmerksamkeit zu erregen, laut die Türen knallte und irgend etwas fallen ließ. Schließlich hielt sie es nicht mehr aus und steckte, schon im Pelz, den Kopf durch die Tür.
    »Letztlich geht es nicht um die Mütze, sondern darum, daß du ein Schlappschwanz bist und niemals deinen Mann stehst. Wie tief mußt du in den Augen deiner Vorgesetzten gefallen sein, wenn sie dir nicht einmal Kanin gönnen!«
    Efim starrte schweigend auf das Fenster, dahinter waren nur schmutziger Himmel, bereifte Baumspitzen und das Dach der Filmschaffenden-Kooperative; ein Mann, der

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