Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mütze

Die Mütze

Titel: Die Mütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Woinowitsch
Vom Netzwerk:
offenem Mund starrte er den vorbeieilenden Lukin an, der im teuren Mantel mit Rentierkragen und kostbarer Pelzmütze dem Ausgang zustrebte.
    Einen Augenblick lang war Efim völlig konsterniert, dann eilte er Lukin nach, um ihn anzusprechen. Aber er kam zu spät. Der Wolga mit dem General im Fond fuhr gerade an und hinterließ ein übelriechendes Wölkchen. Er sah ihm verzweifelt eine Weile nach, nahm die Aktentasche aus der linken Hand in die rechte und ging langsam zum Wosstanjeplatz. Er schlurfte in seinen DDR-Stiefeln dahin wie ein alter Mann, zog gekränkt die Nase hoch und murmelte vor sich hin: »Schwindel, alles Schwindel. Verschneite Steppe und Tochter - alles Schwindel. Als er geholt wurde, war sie acht, und als er nach sechs Jahren zurückkam - verheiratet. Blödsinn!« rief er aus, »was für ein Blödsinn!«
    Völlig in seine Gedanken versunken, bemerkte er nicht, daß der Poet Wassilij Trjoschkin ihm auf den Fersen folgte und ihn keinen Augenblick aus den Augen ließ, fest entschlossen, dem geheimnisvollen Treiben der Zionisten auf den Grund zu kommen.
    Auf dem Sadowyjring blinkten alle Ampeln gelb. Der Verkehr wurde von zwei Milizionären in dunklen Halbpelzen und heruntergeklappten Ohrenmützen geregelt. Beide waren nervös, ließen die Fußgänger auf den Bürgersteigen unnötig warten, pfiffen ununterbrochen und fuchtelten mit ihren Kellen. Ohne darauf zu achten, was um ihn herum vorging, drängte sich Efim durch die Menge, bis er unmittelbar neben der Ampel warten mußte. Die Ampel blinkte im Gleichtakt, und im Gleichtakt leuchtete Efims Glatze giftig gelb.
    Die Menschengruppe an der Ampel war nicht besonders groß, aber Trjoschkin verlor Efim dennoch aus den Augen. Einen Augenblick lang glaubte er sogar, der Zionist hätte sich in Luft aufgelöst. Diese Vorstellung beunruhigte ihn, er drängte sich brutal vor, entdeckte Efim und erstarrte: Der Zionist Rachlin steht dicht am Bordstein, murmelt geheimnisvolle Beschwörungen und seine Glatze sendet pulsierende gelbe Lichtsignale in das Weltall.
    »Bürger... rück... von der... rbahn!« hörte er plötzlich Stimmen aus dem Jenseits. »Bürger, zurück von der Fahrbahn !« erscholl es nun viel näher.
    Der neben Efim stehende Milizionär sprang zur Seite, nahm Haltung an und salutierte. Schwarze Silhouetten, aufheulende Hupen, schnaubende Motoren, flüsternde Reifen und schwebend über allem das alarmierende Blaulicht der Miliz.
    Wassilij Trjoschkin nahm nichts davon wahr. Er starrte nur auf den Kopf des Zionisten Rachlin, er sah, wie er zuerst gelb leuchtete, dann rot und blau aufflammte, und gleichzeitig hörte er die unheimlichen Stimmen.
    Das wäre der richtige Augenblick gewesen, den Zionisten zu packen und ihn der Hand des Gesetzes zu übergeben. Aber wem konnte man ihn übergeben, wenn die vorbeirauschenden Regierungslimousinen dieselben Signale aussandten ? Nun war er entsetzt, er hielt sich den Kopf und schloß die Augen. Als er sie wieder öffnete, fand er sich auf dem vereisten Bürgersteig wieder, er saß mit dem Rücken an eine rauhe Mauer gelehnt, um ihn herum scharte sich eine Handvoll Menschen, und ein Milizionär beugte sich über ihn und fragte höflich: »Guter Mann, hören Sie mal, sind Sie, 'tschuldigung, besoffen oder krank?«
    Efim hörte, während er neben der Ampel wartete, daß jemand in der Menge zusammenbrach und diskutierende Stimmen, die von Krankenwagen oder Ausnüchterungszelle redeten. Unter anderen Umständen hätte sich Efim den Vorfall angesehen, denn er war immer an solchen Straßenszenen interessiert. Aber dieses Mal schlurfte er weiter, sobald die Fahrbahn frei war. Am Eingang zur Metro wurde er von dem Menschenstrom erfaßt, hinuntergezogen und ziemlich verknautscht an der Station Aeroport wieder nach oben gespült.
    Unterdessen bewegte sich Trjoschkin auf völlig verschiedenen Wegen demselben Ziel zu. Sobald die Milizionäre sich entfernt hatten, ging auch er weiter, jedoch nicht zur Prjessnja, sondern zur Station Majakowskij.
    Der Abend war kalt, der Himmel klar, aber die Lichter der Stadt machten ihn bleich und gelblich. Einige Sterne schafften es dennoch, den gelblichen Dunst zu durchdringen, zogen ihre Bahnen, zwinkerten sich zu und deuteten etwas an, was Trjoschkin nicht verstand. Autos rollten dahin, Passanten hasteten vorbei, und niemand konnte wissen, wie viele von ihnen Juden waren oder Freimaurer. Trjoschkin ging langsam, tief in Gedanken versunken, bis ihm plötzlich, Ecke Bolschaja-Bronnaja und

Weitere Kostenlose Bücher