Die Mütze
Efims eigenen Erzählungen oder nach den zum Teil widersprüchlichen Berichten anderer Beteiligter wiedergeben.
Nachdem ich gegangen war, hat Efim sich gewaschen, rasiert, seine Zahnprothesen gereinigt und eingesetzt. Er unterbrach diese Prozedur, um immer wieder zu telefonieren und hatte schließlich Erfolg. Larissa Jewgenjewna, Karetnikows F rau, war schon dabei, zu erklären, Wassilij Stepanowitsch fühle sich nicht wohl und sei für niemanden zu sprechen, als aus dem Hörer die Stimme des angeblich Kranken ertönte:
»Fimka! Hör nicht auf sie! Schnapp dir ein Taxi und in fünf Minuten bist du hier! Vergiß das Manuskript nicht!«
Karetnikow wohnte in einem Hochhaus am Wosstanijeplatz.
Die Tür öffnete Larissa Jewgenjewna im Morgenrock, mit Lockenwicklern und einer dicken Cremeschicht auf dem Gesicht. »Komm rein, wenn du schon da bist«, begrüßte sie ihn nicht besonders freundlich, »Wassilij Stepanowitsch erwartet dich. Im Frack.«
Efim ging über den langen Flur, an der Hausangestellten Nadja vorbei, die auf einer wackeligen Leiter stand und mit einem Schrubber Spinngewebe unter der Decke entfernte. Nadja trug einen sehr kurzen Baumwollkittel.
»Guten Tag, Nadenka«, Efim grüßte vertraulich, wandte sich aber ab und blickte zu Boden.
Die Tür zum Arbeitszimmer flog auf und vor Efim erschien Wassilij Stepanowitsch persönlich in knielangen Fußballhosen und einem Shirt mit einem Brandloch mitten auf dem dicken Bauch. Er zog Efim über die Schwelle, schloß hinter ihm die Tür und stemmte sich mit der Schulter dagegen.
»Hast du's dabei?« fragte er ihn laut flüsternd.
»Ich hab's«, antwortete Efim und brachte aus der Aktentasche eine Flasche Wodka zum Vorschein.
»Das ist alles ?«
»Band zwei folgt!« Efim lächelte und hielt ihm die offene Aktentasche entgegen - dort lag die zweite Flasche.
»Toller Kerl!« lobte Wassilij Stepanowitsch und öffnete die Flasche mit den Zähnen. Er jonglierte virtuos mit der Flasche, der Wodka schäumte und lief in schraubenzieherförmigem Strahl in den gierig geöffneten Schlund.
Nachdem die Flasche sich auf diese Weise um ein Drittel geleert hatte, prustete der Hausherr, krächzte und stellte sie in das Bücherregal hinter Das Kapital von Marx.
»Toller Kerl!« wiederholte er schnaufend. »Das ist eben der jüdische Kopf! Warum bin ich ein Gegner des Antisemitismus ? Weil der Jude in geringer Anzahl ein nützliches Element der Gesellschaft darstellt. Nehmen wir meine Zeitschrift: Ich bin Russe, mein Stellvertreter ist auch Russe und das ist völlig richtig. Aber der Erste Sekretär ist bei mir immer Jude. Mein früherer Sekretär war Jude und der heutige ist auch Jude. Und als das ZK mir statt eines Rubinstein einen Nowikow unterjubeln wollte, da hab ich ihnen gleich gesagt: >Sonst noch was! Wenn ihr wollt, daß ich auch weiter eine echt linientreue Literaturzeitschrift mache, dann müßt ihr mir meine Juden lassen. < Ich redigiere die Zeitschrift seit sechsunddreißig Jahren, ich war immer dabei, ich habe alles mitgekriegt, aber sogar in der Epoche des Kosmopolitismus hatte ich meine Juden und zwar dort, wo sie hingehören. Und die haben immer gewußt, daß ihnen bei mir kein Haar gekrümmt wird. Aber dafür verlange ich von ihnen Treue. Ich habe eines Tages Lejkin kommen lassen und ein Glas Wodka vor ihn auf den Tisch gestellt: >Also, Freundchen<, sagte ich, >wenn du nach deiner historischen Heimat schielst, dann mußt du hier mindestens ein halbes Jahr bevor du die Papiere einreichst, deine Koffer packen. Und wenn du mich hinters Licht führst, dann reiß' ich dir beide Beine aus, setz' dir ein paar Streichhölzer ein und laß' dich damit rumlaufen!<«
Der großgewachsene wohlbeleibte Wassilij Stepanowitsch schritt im Zimmer auf und ab, die Hände im Rücken verschränkt, den kräftigen Bauch vorgeschoben und redete und redete mit schwerer Zunge. Ab und zu, wenn er das Gesagte für besonders gut hielt, klatschte er sich auf die gewaltigen Schenkel und grunzte. Plötzlich wechselte er das Thema und erkundigte sich, ob Efim seinen letzten Artikel gelesen hätte ?
»Wo ?« fragte Efim schnell.
»Was muß ich hören, lieber Freund? Ich glaube, du liest die Prawda nicht?« Wassilij Stepanowitschs Gegenfrage klang ein bißchen schadenfroh. »Siehst du, jetzt bist du überführt. Nanana, sei ruhig, ich werd' dich schon nicht verkaufen. Hier!« Er nahm eine Zeitung vom Tisch und hielt sie Efim entgegen.
»›Immer mit der Partei, immer mit dem Volk.‹ Ist
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