Die Mütze
die Überschrift nicht gut?«
»Mmm«, Efim zögerte mit der Antwort.
»Muh«, Karetnikow muhte, wie eine Kuh. »Du brauchst dich nicht zu winden und zu muhen, ich sehe doch, daß du die Nase rümpfst. Zugegeben, die Überschrift ist keine Fontäne, aber dafür schlicht und ohne alles Drumherum. Immer mit der Partei, immer mit dem Volk. Immer mit dem einen und mit dem ändern. Von wegen...« Er brach ab, stöhnte, rannte gelten die Tür, packte sich an den eigenen Ohren und schlug dreimal mit dem Kopf, als sei er ein fremder Gegenstand, gegen den Türrahmen. »Ich hasse es!« knurrte er und knirschte mit den Zähnen. »Ich hasse, hasse, hasse es.« Plötzlich stierte er Efim böse an. »Du überlegst dir wohl, was ich hasse. Du weißt es ganz genau, aber du bist zu feige, es auszusprechen. Unser Regime, unser geliebtes sowjetisches Regime... oh, wie ich es hasse!«
Und er schlug wieder mit der Stirn gegen die Wand. Wild gestikulierend schritt er vor Efim auf und ab und murmelte wie im Selbstgespräch: »So sieht menschliche Dankbarkeit aus. Das Regime hat mir alles gegeben, ich aber hasse es. Was wäre ich? Ein Nichts. Und was hat es aus mir gemacht? Einen Schriftsteller! Einen Schriftsteller, der Deputierter ist, Preisträger, Held, den berühmten Schriftsteller Karetnikow! Dabei bin ich« - er blieb vor Efim stehen - »dafür genauso geeignet wie Scheiße für eine Gewehrkugel. Der Schriftsteller Wassilij Karetnikow. Aber dieser Wassilij hätte Kaufmann werden sollen, wie sein Großvater Tichon, Tichon Karetnikow, Leder-und Eisenwarenhandel mit zwei eigenen Schiffen auf der Wolga. Und wegen dieser zwei Schiffe haben sie meinen Vater Stepan Tichonowitsch an die Wand gestellt. Und ich korrigierte schon im Kinderheim meine Herkunft, wechselte zu den Bauern über und schickte Artikel an die Zeitung Vorschlaghammer, die ich mit dem Pseudonym Der Wachsame unterschrieb. Eines Tages schickte ich Gorkij meine Erzählung Auf der Wasserscheide, und der hat sie, blöd wie er war, in seinem Almanach veröffentlicht. Ihr Schweinehunde, was habt ihr Wasjka Karetnikow angetan!? Wofür habt ihr ihn zum Schriftstellern verdammt? Oh, wie ich sie hasse!« Er wollte noch einmal gegen den Türrahmen anrennen, aber nachdem er seine Stirn abgetastet hatte, ließ er es bleiben.
»Wassilij Stepanowitsch«, flüsterte Efim besorgt und deutete mit dem Zeigefinger gegen die Decke.
»Du denkst, dort sind Wanzen?« Karetnikow hatte sofort verstanden. »Natürlich, aber sie können mir alle den Buckel runterrutschen. Denn das, was ich hier alles rede, das ist ganz unwichtig. Alle wissen, Karetnikow ist ein Säufer, und man kann von ihm nichts anderes erwarten. Wichtig ist, was ich in der Öffentlichkeit sage. Hier sage ich, was ich will. Umso mehr, da sie mich gekränkt haben, diese Hurenböcke. Sie hatten fest versprochen, mich zum Mitglied der Akademie zu machen, aber sie haben nicht mich, sondern Schuschugin durchgepaukt. Akademiemitglied Schuschugin. Und dieses Akademiemitglied schreibt statt >Spezialist< >Spitzealist<. Ehrenwort! Und so was wird Mitglied der Akademie. Ich bin gekränkt. Alle verstehen, daß ich gekränkt bin und im Zorn über die Stränge schlagen kann. Aber nur zu Hause. Denn die Partei verlangt von uns Ergebenheit und keine Grundsätze. Wenn es erlaubt ist, darf ich sie hassen, und wenn es nötig ist, muß ich ihr Soldat sein. Du bist Schriftsteller, also solltest du den Unterschied zwischen >dürfen< und >müssen< kennen. Ich tue, was ich muß und deshalb darf ich dies und jenes. Aber du tust nichts von dem, was du mußt, also darfst du auch viel weniger als ich. Verstehst du diese Dialektik? Gib mir noch einen Schluck.«
Wassilij Stepanowitsch ließ sich in einen Ledersessel fallen und schloß die Augen. Bevor Efim die Flasche Wodka hinter dem Marx hervorgeholt und sich Karetnikow genähert hatte, war dieser schon eingeschlafen.
Efim setzte sich ihm gegenüber, die Flasche immer noch in der Hand. Die Uhr in dem hölzernen Gehäuse schlug zwölf. Efim sah sich im Zimmer um: Ein Tisch und ein Sessel, kostbare alte Arbeit, moderne Bücherregale, gefüllt mit den Gesammelten Werken von Marx, Engels, Lenin und von dem Gensek. Der Gensek nahm übrigens den ersten Platz ein. Einst hatte an dieser Stelle die Gesamtausgabe der Werke Stalins, anschließend die Chruschtschows gestanden. Eines Tages war Chruschtschow verschwunden, und Stalin erschien wieder an seinem gewohnten Platz. Wahrscheinlich mußte er sich jetzt mit
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